Gehörst du auch zu den Menschen, die sich manchmal wünschen, irgendwie besser organisiert zu sein?
Die sich manchmal mit Terminen verzetteln, die hin und wieder Tage oder Wochen erleben, an denen „alles zusammenkommt“ und die dann nur von einer Verpflichtung zur nächsten hetzen, scheinbar ohne eigene Kontrolle?
Kennst du das, wenn du eigentlich etwas Wichtiges erledigen müsstet, aber dir tausend andere Sachen im Kopf herumschwirren, die man noch „ganz kurz“ erledigen könnte, damit man endlich seine Ruhe davon hat?
Wenn du eine oder mehrere von den obigen Fragen mit „Ja“ beantwortet hast oder du dich generell eher als den chaotischen Typen beschreiben würdest, dann könnte ein Bullet Journal etwas für dich sein. Denn das Bullet Journal hat mir geholfen, mein Leben deutlich besser zu organisieren. Aber der Reihe nach.
Was ist ein Bullet Journal?
Ein Bullet Journal ist ein in einem Notizbuch geführtes Planungssystem, in dem du alle Bereiche deines Lebens organisieren kannst, ganz gleich ob beruflich, schulisch oder privat. Dadurch, dass man das Planungssystem komplett selbst gestalten und seinen Bedürfnissen anpassen kann, hebt es sich von anderen Systemen ab und soll einen durch diese Flexibilität noch mehr unterstützen.
Das Konzept des Bullet Journals geht dabei auf den New Yorker Designer Ryder Carroll zurück, der die Idee vor wenigen Jahren publik machte. Nach Angaben von Carroll handelt es sich um das Ergebnis eines jahrelangen Trial-and-Error-Prozesses mit verschiedenen anderen Planungssystemen. 1
Die Basis eines jeden Bullet Journals bildet ein punktkariertes Notizbuch. Theoretisch geht auch ein blanko oder kariertes Exemplar, wichtig ist nur, dass du keinen Kalender oder ähnliches nimmst, was dir eine Struktur vorgibt.
Beim Bullet Journal soll man nämlich gerade in keine Planungsstruktur gepresst werden, sondern sein ganz eigenes, persönliches System entwickeln. Hierfür bietet sich tatsächlich ein punktkariertes Notizbuch ideal an, da es einem die Punkte ermöglichen, gerade Linien oder Kästchen ohne Lineal zu ziehen. Außerdem kann man problemlos gerade schreiben, ohne in feste Linien gepresst zu werden. Letzteres könnte nämlich wiederum die eigene Kreativität behindern, weshalb man beispielsweise auch für Mind-Maps unliniertes Papier verwenden soll. 2
Unter Bullet-Journal-Jüngern hat sich offenbar das punktkarierte DIN-A5-Notizbuch der Firma Leuchtturm1917 besonders beliebt gemacht. Da ich das richtige Feeling bei meinem Experiment wollte, griff auch ich zu diesem Notizbuch und muss sagen, ich bin vollauf zufrieden. Es macht für einen moderaten Preis einen wirklich hochwertigen Eindruck.
Leuchtturm1917 hat auf den Hype natürlich reagiert und sogar eine Bullet-Journal-Edition seines Standardnotizbuches herausgebracht. Diese unterscheidet sich vom ursprünglichen Produkt von Leuchtturm1917 aber lediglich durch drei statt zwei Lesezeichenbänder, die Prägung „Bullet Journal“ auf dem Cover und eine kleine Bullet-Journal-Anleitung auf Englisch. Nichts Besonderes also, und da ich das ursprüngliche Guerilla-Feeling des Bullet Journals wollte, entschied ich mich für die Standardausführung.
Den Inhalt selbst gestaltet man dann im Wesentlichen aus Stichpunkten (engl. „bullets“), die dem Bullet Journal seinen Namen geben. Bevor ich aber detailliert auf den Umgang mit dem System eingehe, möchte ich zunächst noch meine Ausgangslage vor dem Experiment erläutern.
Meine Ausgangslage
Meine bisherige Erfahrung mit Planungssystemen hielt sich vor dem Experiment stark in Grenzen. Zu Schulzeiten habe ich grob wichtige Termine und Verabredungen sowie tägliche Aufgaben in einem dieser gehefteten Buchkalender festgehalten. Ich konnte mich aber nur sporadisch dazu motivieren und habe meist auch nicht wirklich länger als auf Tagesebene geplant. In meinen ersten Semestern der Uni ging ich dann dazu über, Termine einfach in den im Handy enthaltenen Kalender einzutragen.
Später experimentierte ich auch mit Produktivitätsapps für das Smartphone, wobei es meistens bei einer recht kurzen Testphase blieb, bevor diese Apps wieder ungenutzt blieben. Woran dies lag, kann ich nicht genau sagen. Ein Faktor war wahrscheinlich, dass ich Notizen und Skizzen generell lieber mit Stift und Papier anfertige – auch die gute alte Einkaufsliste wird bei mir immer noch von Hand geschrieben. Zum Smartphone greife ich wirklich nur dann, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Ansonsten würde ich mich als einigermaßen chaotischen, aber ordnungsliebenden Charakter beschreiben, eine Mischung, die ich als ideal geeignet für das Bullet Journal erachte. Denn zum einen wird dieses System durch die Flexibilität meiner chaotischen Seite gerecht, sollte mir auf der anderen Seite aber helfen, für Ordnung zu sorgen.
Allerdings sah ich vor dem Experiment auch die Gefahr, dass die große Flexibilität des Bullet Journals meiner Tendenz zum Chaotischen zu viel Raum einräumen könnte. Das wäre in Anbetracht des Papierkrams, den ich gerne bei mir in wilden Häufen auf dem Schreibtisch ansammele, bis ich irgendwann einige Stapel auf das Sofa auslagern muss, um wenigstens noch Maus und Tastatur bedienen zu können, ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Ich war daher sehr gespannt, welche Ergebnisse ich in meinem Experiment erzielen würde.
Das Selbstexperiment
Das Einrichten des Bullet Journals
Am Anfang meines Experiments stand das erstmalige „Einrichten“ bzw. „Aufsetzen“ des Bullet Journals. Denn zu Beginn hat man ja nicht mehr als ein leeres Notizbuch. Im Folgenden möchte ich dir zeigen, welchen Grundaufbau Ryder Carroll empfiehlt, und wie ich diesen Grundaufbau für mich bereits von Vornherein modifiziert habe.
1. Index
Die ersten paar Seiten sollen als Inhaltsverzeichnis dienen, wo man einfach nacheinander die Topics seines Bullet Journals mit der jeweiligen Seitenzahl einträgt. Bei manchen Notizbüchern, beispielsweise auch dem von Leuchtturm1917, ist bereits eine vorgedruckte Tabelle als Inhaltsverzeichnis vorhanden, was übersichtlich ist und die Arbeit etwas erleichtert. Ich persönlich habe allerdings keinen Index von meinem Bullet Journal angelegt – durch die beiden Lesezeichenbänder und die tägliche Arbeit komme ich so gut damit zurecht, dass ich nach kurzem Blättern immer die Seite finde, die ich gerade brauche. Dieses kleine Bisschen „Chaos“ habe ich mir in meinem Ordnungssystem erhalten 😉
2. Future Log
Danach sieht Carroll einen sogenannten Future Log vor. Hier wird – nach Monaten sortiert – ein Überblick des kommenden Jahres gegeben, wobei unter jedem Monat die ganz wichtigen Termine oder Projekte eingetragen werden. Ich muss zugeben, dass mir hier die Interpretation des Future Logs von Lena Lammers 3 in ihrem Artikel für Edition F besser gefällt: „Im Future Log notierst du deine persönlichen Ziele für das anstehende Jahr, was du erreichen willst, welchen Projekten du dich primär widmen möchtest.“
Denn eine Übersicht über die wichtigen Termine der kommenden Monate führt man bereits im sich anschließenden Monthly Log (dazu ausführlich im nächsten Punkt). Ich habe deshalb den Future Log dazu genutzt, die berühmten drei bis fünf Jahresziele festzuhalten bzw. Ziele zu jedem meiner Lebensbereiche in einfachen, kurzen Bullet Points zu verschriftlichen. Bei jedem Wochen- und Monatsrückblick habe ich mir dann einfach kurz meinen Future Log angesehen und mir die Frage gestellt, ob und was ich in der letzten Woche bzw. im letzten Monat zur Erreichung meiner Ziele getan habe, ob ich irgendwo nachbessern muss etc..
3. Monthly Log
Nach dem Future Log organisiert man im Monthly Log die einzelnen Monate. Nimm dafür jeweils eine Doppelseite für einen Monat. Caroll schlägt vor, die linke Seite als einen tatsächlichen Kalender zu nutzen, indem man die Zeilen von oben nach unten mit der 1 beginnend durchnummeriert; jede Zeile ist dabei ein Tag. Die wichtigsten Termine der einzelnen Tage trägt man dann in die entsprechenden Zeilen ein. Die rechte Seite wiederum soll dazu dienen, noch nicht terminierte Aufgaben zu notieren oder solche Aufgaben, die zu keinem konkreten Termin, aber eben im jeweiligen Monat erledigt werden müssen.
Auch hier habe ich eine kleine Modifikation vorgenommen und statt der Kalenderübersicht auf der linken Seite einfach beide Seiten dazu genutzt, Termine und Aufgaben durcheinander in einfachen Stichpunkten aufzuschreiben. Dies zum einen deshalb, da ich gegenwärtig gar nicht so viele fixe Termine habe und die linke Seite deshalb meist recht leer bliebe. Zum anderen speichere ich mir wichtige Termine zur Sicherheit ohnehin nochmal mit getimten Erinnerungen in meinem Handy ein – sicher ist sicher.
4. Weekly Log
Einen Weekly Log sieht Carroll selbst gar nicht vor, nach dem Monthly Log kommen bei ihm direkt die Daily Logs der einzelnen Tage eines Monats. Die Idee des Weekly Logs bzw. der Weekly Overview von Lena Lammers finde ich da schöner, denn eine Woche lässt sich als die kleinere Einheit besser planen und strukturieren. Ich nehme eine einzelne Seite komplett, um die Woche zu planen und plane auf den folgenden Seiten, jeweils über eine halbe Seite, die einzelnen Tage. Am Ende einer Woche folgt nochmals über eine halbe Seite ein Wochenrückblick, in dessen Rahmen ich meine Woche im Lichte der im Future Log niedergeschriebenen Ziele durchleuchte.
Sonstiges
Mit deinem Bullet Journal kannst du natürlich noch viel mehr als nur Monate, Wochen und Tage planen. Lammers schlägt beispielsweise auch einen Habit Tracker vor. Ich persönlich habe mir Listen angelegt mit Büchern oder Filmen, die ich gerne demnächst lesen bzw. anschauen würde, Ideen für Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke gesammelt, die mir spontan gekommen waren oder Seiten mit „schönen Sätzen“ bzw. motivierenden Zitaten gemacht.
Um meiner Planungsstruktur vorne nicht in die Quere zu kommen und die einzelnen Listen später immer wieder mühsam suchen zu müssen (der Index lässt grüßen 😀 ) habe ich mein Bullet Journal einfach um 180 Grad gedreht und von hinten aufgeblättert, um meine persönlichen Listen zu führen. Damit habe ich relativ übersichtlich von vorne die strukturierte Tagesplanung, und punktspiegelverkehrt von hinten all meine sonstigen Listen, die ich auch jederzeit erweitern bzw. neue Listen hinzufügen kann.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass dies alles nur Vorschläge sind! Dein persönliches Bullet Journal führst du so, wie du es am sinnvollsten empfindest. Manch einer mag es vielleicht als viel praktischer erachten, auf den Weekly Log zu verzichten und stattdessen lieber in Monaten zu planen? Ein anderer packt seine zusätzlichen Listen einfach vor seine Logs? Das bleibt alles dir überlassen. Mich würde es auf jeden Fall wahnsinnig interessieren, wie du die Sache angehst – schreib doch dazu unter diesem Artikel einen kurzen Kommentar!
Das Bullet Journal in Action
Nachdem ich das Bullet Journal eingerichtet hatte, startete mein Experiment, mich einen Monat damit zu organisieren. Jeden Abend ging ich – im Idealfall – mein Journal durch und plante den nächsten Tag. An den Sonntagen stand darüber hinaus jeweils noch ein kleiner Wochenrückblick an sowie eine kurze Planung der kommenden Woche.
Wesentliches Prinzip des Bullet Journals ist dabei das sogenannte Rapid Logging, also das Verwenden kurzer, prägnanter Stichpunkte. Damit das Ganze übersichtlicher wird, sollte man nach Carroll drei unterschiedliche Art von Stichpunkten verwenden:
• markiert eine Aufgabe
⃘ markiert einen Termin
– markiert eine einfache Notiz, wie recherchierte Fakten, Ideen, Gedanken
Aufgaben können wahlweise erledigt, verschoben oder terminiert werden. Carroll empfiehlt, dies entsprechend zu kennzeichnen, indem man den Stichpunkt einer Aufgabe mit einem der folgenden Zeichen übermalt:
X bei einer erledigten Aufgabe
> bei einer verschobenen Aufgabe
< bei einer terminierten Aufgabe
Ich habe mein Bullet Journal teilweise auf diese Art und Weise gemanagt, teilweise habe ich auch einfach Aufgaben abgehakt, ganz gleich, ob ich sie nun verschoben oder tatsächlich erledigt habe. Einen Unterschied bei den Vorgehensweisen habe ich nicht wirklich gemerkt. Allerdings könnte sich zumindest die Unterscheidung von erledigten und verschobenen Aufgaben anbieten um festzustellen, wie produktiv man ist bzw. wie realistisch die eigene Zeitplanung ist.
Bei mir sah ich am Ende der Woche nämlich nicht selten eine ganze Reihe an > in den Daily Logs. Eine Kennzeichnung wie Carroll sie empfiehlt, könnte sich also zur Problemanalyse im Wochenrückblick empfehlen. In jedem Fall aber habe ich der Übersicht halber eine bearbeitete Aufgabe durchgestrichen, ganz gleich, ob ich sie tatsächlich erledigt, verschoben oder terminiert hatte.
Davon abgesehen hat Carroll auch noch Signalzeichen eingeführt, die man Stichpunkten voranstellen kann, um diese besonders zu kennzeichnen:
* bedeutet Priorität
! weist auf besondere Ideen, Learnings, Mantras oder Inspiration hin
bedeutet, dass für eine Sache noch weitere Informationen benötigt werden
Auch hier habe ich wieder von der Flexibilität des Bullet Journals Gebrauch gemacht und verwende das ! für Priorität und den * für Inspiration – für mich persönlich ergibt das einfach mehr Sinn.
Ich habe noch eine andere Sache anders gemacht als Carroll – der empfiehlt nämlich, das Bullet Journal stets bei sich zu führen, um neue Ideen, Aufgaben etc. sofort eintragen zu können. Das ergibt grundsätzlich auch Sinn.
Allerdings ist es nur natürlich, dass die eigenen Gedanken gerade dann, wenn man unangenehmere Arbeiten erledigt, gerne auf Reisen gehen und neue Ideen generieren. Und so durfte ich während solcher Aufgaben alle paar Minuten das Bullet Journal aufschlagen und den Punkt an der richtigen Stelle eintragen.
Viel schlimmer aber noch: allzu oft ertappte ich mich im Folgenden dabei, wie ich mir zu dem speziellen Punkt, nach dem er eingetragen war, direkt noch ein paar Gedanken und Notizen machte. Oder generell anfing, das Journal ein bisschen zu optimieren, Aufgaben zu planen etc. – Hauptsache, ich konnte mich vor der Arbeit drücken, die ich eigentlich gerade zu erledigen hatte.
Um dies zu unterbinden, nahm ich mein Journal nicht überall mit hin, sondern ließ es unterwegs beispielsweise im Auto oder an der Uni im Schließfach. Stattdessen begann ich damit, in meinem Portemonnaie immer ein paar Notizzettel mitzuführen, auf die ich sämtliche Ideen, die mir spontan kamen, notierte.
Ein bis zweimal am Tag sichtete ich dann gebündelt all diese Notizen und sortierte sie aus. War das nur ein Einfall aus Langeweile oder war die Idee wirklich zu gebrauchen? Anschließend trug ich alles in mein Bullet Journal ein. Ich kann euch nur empfehlen, diese Methode auszuprobieren, denn für mich hat sie enorm Zeit gespart und die Konzentration auf die jeweils aktuelle Aufgabe gefördert.
Die Vorteile des Bullet Journals
Der „Aus den Augen, aus dem Sinn“-Effekt
Der größte Vorteil, der mir in dem Monat mit dem Bullet Journal bereits nach wenigen Tagen auffiel, war das Gefühl enormer geistiger Freiheit, das sich bei mir bemerkbar machte. Denn das Bewusstsein, alle relevanten Informationen, Notizen, Termine usw. an einem zentralen Ort sammeln zu können und damit aus dem Kopf zu haben, war einfach ungemein beruhigend. Ich musste mir keine Dinge mehr „im Hinterkopf“ behalten, sodass sie mich von der Arbeit ablenken konnten. Ich schrieb sie einfach auf, und damit schrieb ich sie mir gleichsam „von der Seele“.
Dadurch, dass ich wirklich alle dieser spontanen Einfälle sofort sammelte wusste ich, dass ich sie nicht mehr vergessen würde, es war sich darum gekümmert, und ich konnte ungestört weiterarbeiten. Diese Vorgehensweise half mir wirklich enorm und verschaffte mir eine noch nie dagewesene mentale Klarheit. Mir wurde bisweilen in der Unibibliothek so langweilig (weil mein Journal mich so gut strukturierte und es wirklich nichts mehr gab, um das sich mein Verstand noch kümmern musste), dass mich diese Langeweile teilweise schon allein zum Lernen trieb – ganz nach dem Motto „Hauptsache beschäftigt“.
Auch die Tatsache, seinen Tag vorab durchzuplanen und dann einfach die Aufgaben des Tages abarbeiten zu können half mir enorm meinen Alltag, insbesondere das Lernen an der Uni, möglichst ablenkungsfrei zu gestalten. Ich musste also nicht mehr wie vorher ständig zwischen dem „Managermodus“ und dem „Arbeitermodus“ hin- und herschalten, was ansonsten ähnlich wie Multitasking zu großen Einbußen bei der eigenen Effizienz führt.
Natürlich ist dieser Effekt nicht dem Bullet Journal als solches geschuldet. Mit anderen Organisationssystemen hätte man sicherlich ähnliches erreicht. Ich kann hier aber auch nur schwer Vergleiche ziehen, weil das Bullet Journal das erste System war, das ich wirklich ernsthaft verfolgte. Allerdings sollte man bedenken, dass es vor allem die Flexibilität des Bullet Journals einem ermöglicht, wirklich alles sortiert eintragen zu können. In einem bereits vorgedruckten Kalender tut man sich womöglich schwer, individuelle Listen wie oben genannt anzulegen, weil es einfach keine freien Seiten gibt. Man müsste dafür also gegebenenfalls externe Listen auf einzelnen Blättern anlegen, womit aber wiederum der „alles an einem Ort“-Effekt dahin wäre, der beim Bullet Journal gerade so beruhigend ist.
Die Flexibilität
Apropos individuelle Listen: Die zweite große Stärke des Bullet Journals ist die große Flexibilität. An meinen Ausführungen oben hast du ja schon die vielen kleinen Modifikationen gesehen, die ich für mich persönlich am Grundgerüst des Bullet Journals vorgenommen habe. Und das war ja nur ein kleiner Ausschnitt deiner Möglichkeiten. Auch den Platz, den du den jeweiligen Kategorien gibst, kannst du frei bestimmen. Ein weiterer Vorteil gegenüber vorgedruckten Kalendern. Denn diese sehen oftmals nur recht kleine Felder für Samstage und Sonntage vor – was gerade dann unpraktisch werden kann, wenn man öfters mal am Wochenende arbeitet oder gerne auch einmal seine Freizeitgestaltung plant.
Wie flexibel so ein Bullet Journal sein kann zeigen auch die Bilder der Exemplare von Lena Lammers. Eines davon hast du bereits oben im Titel gesehen, hier möchte ich dir noch eines dieser Prachtstücke zeigen:
Im Vergleich zu meinem sehr spartanisch und zweckmäßig geführtem Büchlein hat Lena ihr Journal wirklich opulent verziert. Auch die Handhabung des Journals in dieser Hinsicht ist eine Frage deines persönlichen Stils und deiner Präferenzen.
Nicht wenige bevorzugen es, ihr Bullet Journal möglichst farbenfroh zu führen, wie man bei Google Bilder sieht, wenn man einmal nach „Bullet Journal“ sucht. Das mag wohl auch der Tatsache geschuldet sein, dass sich das flexible System vor allem in der Kreativenszene großer Beliebtheit erfreut, ist der Erfinder Ryder Carroll doch selbst ein Designer.
Ich muss zugeben, diese farbenfrohen Aufnahmen der Journals haben mich anfangs ein klein wenig abgeschreckt, immerhin wollte ich einen schlanken, effizienten Begleiter für den Alltag und keinen Zeitfresser, bei dem ich Stunden mit Malen zubrachte (zumal dies zumindest in den Augen meiner Kunstlehrer ohnehin nie zu meinen Stärken zählte 😀 ). Lasst dich davon aber bitte nicht abschrecken – das Bullet Journal setzt weder Kreativität noch zeichnerisches Talent voraus und lässt sich auch ganz effizient in Schwarz-Weiß führen! Andersherum kannst du dich aber auch kreativ voll austoben. Mit dem Bullet Journal ist man eben wahnsinnig flexibel unterwegs.
Die Nachteile des Bullet Journals
Die Flexibilität
Die Flexibilität ist aber zugleich auch ein Nachteil des Bullet Journals. Das beginnt schon bei der erstmaligen „Einrichtung“, die einfach etwas Zeit kostet. Ich persönlich würde etwa einen halben (Arbeits-)Tag dafür einplanen. Außerdem wird nicht alles von Tag 1 an perfekt funktionieren und man braucht einfach eine Weile, bis man seinen ganz persönlichen Rhythmus im Umgang mit dem Bullet Journal gefunden hat.
Ohne Konstanz ist alles nichts
Ein Bullet Journal erfordert regelmäßige, am besten tägliche Pflege. Lässt man es schleifen, so kommt man unheimlich schnell aus seinen Rhythmus, und das bedeutet wieder ein mühsames, erneutes Einarbeiten. Mir ging es beispielsweise so, dass ich das Journal nach Beendigung meines Experiments noch für etwas über eine Woche weiterführte. Danach ebbte aber die Motivation dafür immer weiter ab, bis das Büchlein irgendwann für mehrere Wochen ungenutzt herumlag. Aktuell möchte ich wieder einen neuen Versuch mit dem Journal starten, da ich in den letzten Wochen ohne wirklich gemerkt habe, wie viel Struktur und Sicherheit mir das System gab. Allerdings bezahlte ich meine Inkonsistent damit, dass ich mich erst einmal wieder ein paar Stunden hinsetzen und das Journal auf den aktuellen Stand bringen musste.
Analog ist nicht digital
Das Bullet Journal ist am Ende nur ein Buch. Ich persönlich finde das für die Handhabung sehr gut, da ich, wie ich oben schon zum Ausdruck gebracht habe, ein Fan davon bin, Skizzen und Notizen analog zu führen. Allerdings kann man von seinem Bullet Journal nicht wirklich ein Backup machen, es gibt keine Cloud, kein Passwort und auch keine Verschlüsselung, wenn man das Journal nicht gerade in einer Geheimschrift führen will. Das bedeutet zunächst einmal, dass du auf dein Journal Acht geben, es insbesondere nicht verlieren solltest.
Carroll hat für Fall, dass man sein Bullet Journal verlieren sollte, einen echten Ubertipp rausgehauen: Schreibe ganz vorne in dein Journal deinen Vornamen, deine Handynummer und eine persönliche Nachricht an den Finder, à la „hier stehen viele wichtige persönliche Informationen drin, die für dich als Finder aber wertlos sind, ich würde mich freuen, wenn du dich bei mir meldest“. Mit einem kleinen Finderlohn, auf den du außerdem noch verweist, kannst du so eine gute Motivation für einen Finder schaffen, dir dein Journal zurückzubringen. Indem du darauf verzichtest, auch deinen Nachnamen einzutragen, wahrst du zumindest etwas Privatsphäre und verhinderst, dass die im Buch enthaltenen Informationen von Fremden ohne Weiteres dir zugeordnet werden können.
Daneben solltest du niemals essentiell sensible Informationen wie Passwörter und PINs in dein Bullet Journal einzutragen!
Langzeitveränderungen brauchen in der Regel mehrere Anläufe
Strenggenommen ist dies kein originärer Nachteil des Bullet Journals. Das langfristige Etablieren neuer Gewohnheiten ist ein komplexes Unterfangen und bedarf oftmals nicht nur eines Anlaufs. Mein eigenes Experiment ist das beste Beispiel dafür. Ich habe diese „Schwäche“ dennoch hier aufgenommen, weil sie beim Bullet Journal besonders ärgerlich ist.
Denn kaum ist man mal drei, vier Tage aus dem Tritt und verpasst einen Wochenrückblick oder ähnliches, muss man sich schon wieder Zeit nehmen. Zeit beispielsweise, um die Aufgaben neu zu terminieren und zu verschieben. Zeit, um sich wieder einen Überblick zu verschaffen. Deshalb ist gerade beim Bullet Journal so wichtig: Dranbleiben!
Uberstrategie - Mache jetzt deinen ersten Schritt
Das Bullet Journal wird dich auf einen Monat gerechnet womöglich insgesamt zwei (Arbeits-)Tage Zeit kosten, doch das machst du aufgrund deiner gestiegenen Produktivität locker wieder wett. Außerdem wirst du ein enorm aufgeräumtes Gefühl in deinem Kopf haben. Los geht’s:
1) Besorge dir jetzt sofort ein idealerweise punktkariertes Notizbuch, beispielsweise das von Leuchtturm1917.
2) Lies dir oben noch einmal genau den Abschnitt Das Einrichten des Bullet Journals durch und überlege dir, wie das System für dich am meisten Sinn macht. Bist du unsicher, halte dich im Zweifel einfach an meine obigen Empfehlungen. Umstellen kannst du auch noch später jederzeit, wenn du merkst, dass du das System anders sinnvoller fändest.
3) Blocke dir am nächsten Sonntag direkt vier Stunden für die Ersteinrichtung deines Bullet Journals. Übertrage dann alle wichtigen Termine und gegebenenfalls Aufgaben aus deinem bisherigen Kalender bzw. Planungssystem. Plane anschließend direkt auch die kommende Woche sowie den Montag durch.
4) Arbeite täglich mit dem Bullet Journal. Frage dich spätestens immer am Ende einer Woche beim Wochenrückblick, ob das System so für dich Sinn macht oder ob du Veränderungen daran vornehmen möchtest. Drucke dir diesen Artikel am besten aus und lege ihn dir dein Journal oder aber setze dir am Handy ein Lesezeichen, dass du zum Beispiel jederzeit die Symbolcodes noch einmal nachschlagen kannst.
5a) Wenn du früher als nach einem Monat mit dem Bullet Journal wieder aufgehört hast, kommentiere unten, woran es bei dir gescheitert ist. Hat das System trotz Anpassungen an dich einfach nicht funktioniert oder lag es vielmehr an der mangelnden Konstanz? Gerne versuche ich dir dabei zu helfen, das Bullet Journal besser auf dich abzustimmen!
5b) Oder hast du dich mit dem Bullet Journal über einen Monat hinweg organisiert? Dann erst einmal herzlichen Glückwunsch von mir! Kommentiere doch unten, wie du die Zeit mit dem Bullet Journal empfandest und welche Veränderungen du gegebenenfalls vorgenommen hast. Wirst du das System weiterhin fortführen oder wieder auf ein anderes System wechseln und wenn ja, warum?
Fazit
Oben sprach ich noch von „Bullet-Journal-Jüngern“, nach dem Experiment frage ich mich, ob ich nun selbst einer bin – denn die Methode von Ryder Carroll hat es mir angetan. Noch nie war ich von Anfang an so begeistert von einem Planungs- und Ordnungssystem wie vom Bullet Journal.
Klar, das Führen eines Bullet Journals kostet Zeit, mehr wahrscheinlich, als bei anderen Systemen. Vor allem die Einrichtung dauert etwas länger. Im laufenden Betrieb sollte man dann jede Woche einige wenige Stunden für Evaluation und Planung kalkulieren.
Aber: es lohnt sich. Es ist wie ein Trainingsplan im Sport. Bis du diesen selbst für dich ausgearbeitet hast, vergeht auch einige Zeit. Danach kannst du deinen Plan aber einfach runterrattern und hast im Training deinen Kopf frei. Denn du weißt dann, dass das, was du tust, funktioniert.
Artikelbild: © Lena Lammers - bulletjournalguide.com
[…] ohne mich an sie zu klammern. Eine ähnliche Erfahrung hat auch Sebastian erst kürzlich mit dem Bullet Journal […]