Ein guter Freund von mir hält es mit knapper Mühe und Not eine Stunde in der Uni-Bibliothek aus, bevor er mal raus muss. „Kleines Kippchen“ heißt es dann immer. Denn ohne den Nikotinschub sei seine Motivation weg. Könne er sich nicht mehr konzentrieren. Sei sein Kopf nur noch Matsch.
Ich beobachtete dies einige Zeit, bis irgendwann in mir die Frage aufkam, ob nicht auch ein Nicht-Raucher wie ich von Nikotin profitieren könnte. Will sagen: Wenn ein Raucher Nikotin braucht, um seine Konzentration hochzuhalten, könnte dann nicht auch ein Nichtraucher seine Konzentration durch Nikotin steigern? Quasi ein eine Art Biohack mit einer eigentlich sehr verpönten Substanz?
Diese Frage mag dir vielleicht komisch vorkommen, doch ich habe mich dem Thema mal ganz vorbehaltlos genähert – und Erstaunliches herausgefunden. Aber lies selbst…
WICHTIG: Dieser Artikel ist – wie üblich hier auf Ubermind – mit hoher Sorgfalt recherchiert und geschrieben. Nichtsdestotrotz verfüge ich über keine medizinische Ausbildung und berichte daher vor allem über meine persönlichen Erfahrungen, die ich als Nichtraucher mit Nikotin gemacht habe. Dies gilt umso mehr, als in den Beipackzetteln der medizinischen Nikotinersatzprodukte eigentlich ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass diese nicht von Nichtrauchern verwendet sollen. Dieser Hinweis ist womöglich lediglich zur rechtlichen Absicherung der Hersteller gedacht, dennoch stellt das Ausprobieren von experimentellen Strategien natürlich immer ein gewisses Risiko dar. Solltest du deshalb Nikotin einnehmen wollen, so müssen wir dich darauf hinweisen, dass du dies auf eigenes Risiko tust. Wenn du dir unsicher bist, halte Rücksprache mit einem Arzt oder Apotheker.
Mehr Leistung dank Nikotin
Fakt ist zunächst: Raucher bilden sich nicht bloß ein, dass sie ohne Zigaretten schlechter arbeiten können. Studien haben gezeigt, dass sich bei Rauchern “auf Entzug” die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten verschlechtert und die Reaktionsgeschwindigkeit zunimmt; enthalten die Raucher daraufhin reines Nikotin, verbessert sich beides wieder. 1
Die Studienlage
Doch auch bei Nicht-Rauchern wurden im Labor positive Effekte beobachtet, wenn man ihnen Nikotin verabreichte. So führt Nikotin unter anderem zu einer schnelleren, präziseren Motorik. 2
Auch verbesserte sich bei Nichtrauchern, die Nikotin zu sich nahmen, das Kurzzeitgedächtnis. 3 In einer großen Metaanalyse aus dem Jahr 2010 wurde Nikotin schließlich als richtige Allzweckwaffe enttarnt. In den analysierten Studien führte Nikotin bei den Probanden zu signifikanten Verbesserungen bei feinmotorischen Arbeiten, erhöhte die Aufmerksamkeit, verringerte die Reaktionszeit und verbesserte insgesamt das Arbeitsgedächtnis. 4
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Nikotin im Gehirn Stoffwechselvorgänge aktiviert, die für die Steuerung von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und motorische Fähigkeiten zuständig sind. 5
Klingt nach einem soliden Nootropikum, um Biohacking zu betreiben, oder?
Vergleich zu Koffein
Kennst du bereits alles von Koffein? Zugegeben, beide Substanzen, Nikotin wie auch Koffein, können offensichtlich die mentale Leistungsfähigkeit erhöhen. Allerdings unterscheiden sich die Wirkungsspektren beim genaueren Hinsehen doch erheblich.
So erhöht Koffein vor allem die Vigilanz, also die “Wachsamkeit” bzw. die Fähigkeit, über einen längere Zeitraum langweilige, wenig stimulierende Aufgaben zu bewältigen. Beim Nikotin ist diese Wirkung deutlich geringer ausgeprägt. Dafür aber erhöht Nikotin viel stärker als Koffein die allgemeine Stimmung und den Tatendrang. 6
Biohacking mit Nikotin – meine persönlichen Erfahrungen
Auch ich persönlich habe subjektiv positive Effekte beim Einsatz von Nikotin feststellen können, die sich von denen des Koffeins unterscheiden. Koffein macht mich eher “wach”, also gefühlt aufnahmebereiter und “schneller” im Kopf. Nikotin gibt mir dagegen das Gefühl, mich besser auf eine Aufgabe fokussieren und “Störgeräusche” besser ausblenden zu können.
Durch Koffein erhalte ich zwar Energie, ohne aber gezwungenermaßen konzentrierter zu werden – ich muss also aufpassen, dass die Energie nicht in die falschen Bahnen gelenkt wird. Das merke ich vor allem, wenn ich Koffein zu hoch dosiere – dann werde ich sehr aufgekratzt und tausend Ideen schießen mir durch den Kopf.
Nikotin dagegen macht mich nicht wacher, es gibt mir aber einen besseren Tunnelblick; ich komme leichter in den Flow.
Zigaretten für mehr Denkleistung?!
Bevor du jetzt aber zum nächsten Kiosk sprintest, um dir eine Schachtel Gauloises zu kaufen – versuche bitte nicht, von nun an mit Zigaretten deine mentale Leistungsfähigkeit zu pushen. Rauchen ist das größte verhaltensbezogene Gesundheitsrisiko in der westlichen Welt. 7 Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass jährlich mehr als 6 Millionen Raucher weltweit an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben. Für mich stand deshalb auch von Anfang an fest, dass ich zur Steigerung meiner Produktivität sicher nicht mit dem Rauchen anfangen werde – Selbstoptimierung kennt immerhin auch ihre Grenzen.
Es braucht aber auch gar keinen Tabak für geistige Höhenflüge. Denn zwar finden sich in heutigen Zigaretten gut 5.000 (!) chemische Substanzen, 8, die relevanteste ist aber nach wie vor das Nikotin als höchst wirksames Psychotropikum. 9
Nikotin = Tabak = Zigaretten = tödlich?
Wie gesundheitsschädlich eine Zigarette bzw. Tabak ist und wie gesundheitsschädlich Nikotin, das sind folglich zwei unterschiedliche Fragen. Von der Schädlichkeit von Zigaretten lässt sich jedenfalls nicht einfach auf die Schädlichkeit von Nikotin schließen. Im Folgenden habe ich mich deshalb einzig auf die Frage konzentriert, welche gesundheitlichen Risiken mit dem Konsum von Nikotin in Verbindung gebracht werden.
Erzeugt Nikotin Krebs?
Zunächst steht natürlich die Frage im Raum, ob Nikotin womöglich die Substanz ist, die für das Krebsrisiko bei Zigaretten (mit)verantwortlich ist. Das war lange Zeit hoch umstritten, da Nikotin unter Laborbedingungen vereinzelt kanzerogene Effekte gezeigt hatte. 10 Die heutige Forschung steht aber auf dem Standpunkt, dass eine krebserregende Wirkung von Nikotin bislang nicht nachgewiesen werden konnte. 11 12
Verantwortlich für den Krebs im Tabakrauch ist vielmehr ein Chemie-Cocktail aus zahlreichen anderen Substanzen, darunter polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, N-Nitrosamine, Benzol und aromatische Amine, um nur einige zu nennen. 13
Wir halten also fest: Verbrannter Tabak erzeugt Krebs, Nikotin alleine dagegen wohl nicht.
Macht Nikotin süchtig?
Damit wäre als nächstes zu prüfen, ob Nikotin für das Suchtpotenzial von Zigaretten verantwortlich ist. Denn Fakt ist: Tabak und damit auch Zigaretten machen süchtig. Wohl fast so sehr wie Kokain (!) – und nur Heroin kann als einzige Droge ein deutlich höheres Abhängigkeitspotenzial aufweisen. Die Suchtgefahr bei vielen anderen illegalen Drogen wie Ecstasy, LSD oder Cannabis ist dagegen wohl bedeutend geringer als bei Zigaretten. 14 Ziemlich heftig.
Die kurze Antwort: Ja
Dabei ist auch anerkannt, dass Nikotin die primäre, suchterzeugende Substanz in Tabak ist. 15 Nikotin stimuliert unmittelbar die Regionen in unserem Gehirn an, die für das Entstehen von Süchten verantwortlich sind – und die beispielsweise auch durch Glücksspiel, Heroin oder Kokain angeregt werden. 16
Die lange Antwort: Es ist etwas komplizierter
Allerdings konnte in Studien an Ratten auch etwas Interessantes festgestellt werden: Ratten zeigten auf die Gabe von reinem Nikotin ein im Vergleich zu anderen Drogen relativ geringes Suchtverhalten. 17
Zigarettenrauch, Brandbeschleuniger für die Nikotinsucht
Kombinierte man das Nikotin aber mit Acetaldehyd oder Monoaminooxidase-Hemmern, so stieg das Abhängigkeitspotenzial in beiden Kombinationen rasant an. 18 19
Wieso man Nikotin im Labor gerade mit diesen beiden Stoffen kombinierte? Ganz einfach: Sowohl Acetaldehyd als auch Monoaminooxidase-Hemmer kommen im Tabakrauch vor. Tabakrauch ist also schon aufgrund seiner Zusammensetzung deutlich süchtig machender als Nikotin allein. Doch damit nicht genug: Die Tabakindustrie steht sogar im Verdacht, aktiv daran geforscht zu haben, wie man die Suchtwirkung des Nikotins in Zigaretten noch weiter verstärken kann. 20
Der Kick macht süchtig
Außerdem macht eine Droge umso süchtiger, je schneller sie unser Gehirn erreicht. 21 Auch bei Nikotin ist die Geschwindigkeit, mit der das Nikotin ins Blut aufgenommen wird, ein wesentlicher Suchtfaktor. 22 Die Krux: Wiederum sind es vor allem Zigaretten, die dafür sorgen, dass sehr schnell sehr viel Nikotin in unser Blut gelangt.
Anschaulich macht dies das nebenstehende Diagramm. Beim Rauchen schnellt die Nikotinkonzentration im Blut enorm schnell nach oben – zwei Minuten nach dem letzten Zug werden 25 μg / Liter Blutplasma erreicht. Zum Vergleich: Beim Kauen eines 2mg-Nikotinkaugummis steigt die Plasmakonzentration auf maximal 10 μg/L, und das auch erst nach 30 Minuten Kauen. 23
Vom Rauchen einer Zigarette bekommen wir also einen regelrechten Kick. Der währt allerdings nur sehr kurz, da unser Körper bemüht ist, die hohen Dosen des körperfremden Stoffes schnellstmöglich zu reduzieren. So bricht der Nikotinspiegel nur wenige Minuten nach dem Rauchen abrupt ein. Die Folge: Wir bekommen das Verlangen, uns den nächsten Nikotinflash zu holen. Die Suchtgefahr steigt in ungeahnte Höhen.
Ganz anders dagegen beim Nikotinkaugummi: Die Plasmakonzentration bleibt hier über einen Zeitraum von über 50 min stabil in einem Bereich von 5 bis 10 μg/L. Es gibt keine Peaks und keine rasanten Abfälle. Medizinische Nikotinprodukte gelten deshalb als deutlich weniger suchterzeugend als das Rauchen von Zigaretten. 24
Fazit: Nikotin macht süchtig, aber…
Am Ende darf man natürlich nichts beschönigen: Ja, Nikotin macht süchtig. Dessen sollte man sich auf jeden Fall bewusst sein, wenn man Nikotin als Biohack einsetzen möchte. Allerdings sind die Suchtwirkungen von reinem Nikotin nicht mit denen von Rauchtabak gleichzusetzen. Außerdem kann man auch mit der Art der Aufnahme das Suchtpotenzial begrenzen.
Bekomme ich von Nikotin Herz-Kreislauf-Probleme?
Doch wie sieht es bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus? Von der Atherosklerose (Gefäßverkalkung) über die koronare Herzkrankheit bis hin zum Herzinfarkt – Rauchen fördert erwiesenermaßen eine ganze Reihe ihnen. 25 Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, kann sich durch regelmäßiges Rauchen versechsfachen. 26 Aber ist dafür vor allem das Nikotin verantwortlich, oder sorgen andere Stoffe dafür?
Zumindest erhöht auch Nikotin allein unmittelbar nach dem Konsum Puls und Blutdruck, was als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt. 27 Im Vergleich zu Zigaretten wird aber das Risiko bei der isolierten Zufuhr von Nikotin deutlich geringer eingestuft. Die Forschung geht gegenwärtig davon aus, dass bei der kurzfristigen Anwendung von einigen Wochen in Personen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung nur ein sehr geringes Risiko für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht. 28
Beeinträchtigt Nikotin den Schlaf?
Kommen wir deshalb zum letzten wichtigen Punkt in Sachen Gesundheit – ob und inwiefern Nikotin den Schlaf beeinträchtigt. Schlaf ist essentiell für deine Produktivität, sodass ein Biohack, der deine Produktivität steigern soll, niemals deinen Schlaf beeinträchtigen darf.
Fest steht: Raucher schlafen kürzer und schlechter als Nichtraucher. 29 Gleiches gilt, wenn Nichtrauchern über Nacht ein Nikotinpflaster aufgeklebt wird. 30
Eine unmittelbar vor dem Schlafen verabreichte Nikotindosis beeinträchtigt ebenfalls den Schlaf. Allerdings können negative Effekte auf die Schlafqualität nur in den ersten zwei Stunden nach der Nikotinzufuhr festgestellt werden. Anschließend schläft man wieder “ganz normal”. 31 Dies hängt mit der kurzen Halbwertszeit von Nikotin im menschlichen Körper zusammen – nach zwei bis drei Stunden ist das Nikotin schon größtenteils abgebaut. Es kann den Schlaf daher nicht mehr großartig beeinflussen.
Wenn du Nikotin daher als Biohack einsetzen willst, solltest du darauf achten, mindestens drei Stunden Abstand von der letzten Einnahme bis zum Schlafengehen zu lassen. Hier zeigt sich aber bereits ein Vorteil zu Koffein, bei dem aufgrund der längeren Halbwertszeit mindestens sechs Stunden Abstand eingehalten werden sollten. Du kannst Nikotin daher auch noch in der Phase zu dir nehmen, in der dein Koffeinfenster bereits geschlossen ist.
Zwischenfazit
Insgesamt lässt sich also festhalten, dass reines Nikotin bei kurzfristiger Anwendung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft keine gravierenden gesundheitlichen Nachteile mit sich bringt – mit Ausnahme des Abhängigkeitspotenzials. Doch auch dieses lässt sich durch eine kontrollierte, bewusste und geplante Supplementierung deutlich verringern.
Wichtig ist: Anders als Koffein sollte Nikotin nicht dauerhaft eingesetzt werden. Außerdem muss man bei der Supplementierung von Nikotin noch vielmehr als bei Koffein auf eine planvolle Zufuhr achten. Beides sind wichtige Schritte, um das Abhängigkeitspotenzial erfolgreich einzudämmen.
Produkte, über die wir Nikotin zu uns nehmen können
Bevor wir uns aber damit beschäftigen, wie wir Nikotin planvoll zu uns nehmen können, ist erst einmal zu klären, wie wir Nikotin überhaupt zu uns nehmen können, wenn nicht durch Rauchen. In der Natur kommt Nikotin jedenfalls fast ausschließlich in den Blättern der Tabakpflanze vor. Zwar findet sich Nikotin auch in einigen Nachtschattengewächsen wie Tomaten, Kartoffeln und Auberginen, die Gehalte dort sind aber zu gering, um eine spürbare Wirkung zu entfalten. 32
Tatsächlich gibt es aber auch abseits des Rauchens unzählige Wege, Nikotin zu sich nehmen. Es gibt
- rauchfreie Tabakprodukte wie beispielsweise Kautabak, Snus oder Schnuptabak,
- E-Zigaretten und
- Produkte zur Raucherentwöhnung wie Sprays, Inhaler, Pflaster, Lutschtabletten und Kaugummis.
Alle diese Produkte sind deutlich weniger gesundheitsschädlich als Zigaretten, 33 allerdings sind meiner Meinung nach Nikotinkaugummis das einzig geeignete Mittel, um Nikotin als Biohack wirklich nutzbar zu machen.
So wird auch bei rauchfreien Tabakprodukten und E-Zigaretten über gewisse Gesundheitsrisiken diskutiert, die über denen von reinem Nikotin hinausgehen. 34 35
Sprays und Inhaler zur Raucherentwöhnung wiederum bergen aufgrund des schnellen Nikotinflashes, den sie mit sich bringen, eine unnötige Suchtgefahr. Und Pflaster versorgen dich zwar ohne Flash bis zu 16 Stunden lang mit einem gleichmäßigen Fluss an Nikotin. Wenn du allerdings Nikotin als gezielten Biohack zur punktuellen Unterstützung deiner mentalen Leistungsfähigkeit nutzen willst, bringt dir ein solches Produkt dann auch eher wenig. Vielmehr drohen extreme Gewöhnungseffekte.
Nikotinkaugummis und Lutschtabletten erscheinen demgegenüber für unsere Zwecke ideal: Sie bieten eine punktuelle Nikotinversorgung, der Wirkstoff wird langsam aufgenommen, der Nikotinspiegel im Blut bleibt sehr stabil. Aufgrund der besseren Dosierbarkeit gebe ich jedoch Nikotinkaugummis ganz klar den Vorzug vor Lutschtabletten.
Beide Produkte gibt es nämlich nur in Ausführungen mit 2 oder 4 mg Nikotin, bei Nichtrauchern ist Nikotin aber schon ab Dosen von 0,5 mg und weniger spürbar. Für eine optimale Einnahmemenge müssen wir die Präparate also noch zerteilen – was mit weichen Kaugummis definitiv einfacher geht als mit harten Tabletten.
Willst du Nikotin also als Biohack nutzen, dann greif zu Nikotinkaugummis. Alles andere ist ungesund oder unpraktisch.
Entwurf einer Nikotinstrategie
Aber halt, nicht gleich drauf loskauen! Wie bereits angesprochen, muss man bei Nikotin besonders sorgsam und planvoll vorgehen, um es als Biohack nutzbar zu machen – man benötigt eine Nikotinstrategie.
Prämissen einer Nikotinstrategie
Für jede Nikotinstrategie gelten dabei meines Erachtens die nachfolgenden Prämissen. Diese ergeben sich aus der grundsätzlichen Suchtgefahr von Nikotin und den daraus resultierenden, möglichen Gesundheitsrisiken.
1. Prämisse: Kaschiere mit Nikotin keine grundsätzlichen Fehler in deinem System
Zunächst muss feststehen, dass die Nikotinstrategie bzw. Nootropika und Brainbooster generell immer nur die Kür sind. Sie werden als letzte Stellschrauben zur Feinabstimmung eingesetzt. Niemals solltest du deine Produktivität oder dein Wohlbefinden im Wesentlichen auf solchen Substanzen aufbauen. Das ist der einfachste Weg in eine Sucht und wird früher oder später katastrophal schiefgehen.
Wenn du beispielsweise tagsüber dauerhaft müde und schlapp bist, dann trinke nicht literweise Kaffee und kaue auch nicht päckchenweise Nikotinkaugummis. So kaschierst du nur die tatsächlichen Missstände, was sich aber früher oder später bitterböse rächen wird.
Suche stattdessen als erstes nach den zugrundeliegenden Ursachen: Schläfst vielleicht einfach schlecht, weil es in deinem Zimmer zu warm, zu kalt, zu hell oder zu laut ist? Behebe zuerst diese “großen Mängel”. Erst dann solltest du zum Feintuning mit Biohacks und Co. greifen – zum Beispiel wenn du ausnahmsweise mal eine schlechte Tagesform hast, du dich nach einer zu langen Happy Hour trotzdem noch auf die Arbeit quälen musst oder eine wichtige Deadline vor der Tür steht.
2. Prämisse: Konsumiere Nikotin niemals permanent über längere Zeiträume
Aufgrund der Suchtgefahr sollte Nikotin niemals permanent über längere Zeiträume konsumiert werden. Das bedeutet, dass Nikotin längerfristig nur unregelmäßig und strikt rationiert supplementiert werden darf. Willst du Nikotin in größeren Dosierungen zu dir nehmen, so darf dies nur sehr kurzfristig über einen vorab definierten Zeitraum passieren.
3. Prämisse: Dosiere Nikotin stets so niedrig wie möglich
Aufgrund des Gewöhnungseffektes sollte Nikotin stets so niedrig wie möglich dosiert werden. Finde deine persönlich minimal effektive Dosis – die geringste Dosis, die die von dir gewünschten Effekte hervorruft – und erhöhe sie erst dann, wenn du keine Effekte mehr spürst.
Auf Basis dieser drei Prämissen habe ich eine Anleitung mit Überlegungen aufgestellt, auf deren Basis du dir deine persönliche Nikotinstrategie erarbeiten kannst.
Uberstrategie - Mache jetzt deinen ersten Schritt
Um Nikotinkaugummis effektiv als Biohack nutzen zu können, musst du dir zunächst eine Frage stellen:
Warum möchte ich Nikotin supplementieren?
Diese Frage nach deinem Beweggrund ist essentiell für deine “Nikotinstrategie”. Nur, wenn ein rationaler Beweggrund vorliegt, solltest du Nikotin als Biohack einsetzen.
Meines Erachtens nach gibt es folgende sinnvolle Anwendungsgebiete:
🚀 Nikotin als punktueller Turbo, um einzelne wichtige Aufgaben besser zu erledigen
📈 Nikotin als Kur, um arbeitsintensive Phasen besser zu meistern
☕ Nikotin als Substitut, um die eigene Koffeintoleranz zu resetten
Dein Anwendungsgrund bestimmt dabei maßgeblich deine persönliche Nikotinstrategie. Dabei gelten für jede Nikotinstrategie folgende drei Prämissen:
*Kaschiere mit Nikotin keine grundsätzlichen Fehler in deinem System*
*Konsumiere Nikotin niemals permanent über längere Zeiträume*
*Dosiere Nikotin stets so niedrig wie möglich*
Darauf aufbauend kannst du dir sodann deine persönliche Nikotinstrategie erstellen. Für die obigen Anwendungsgebiete könnte deine Nikotinstrategie wie folgt aussehen:
🚀 Der Booster – Nikotin als punktueller Turbo
Du hast jede Woche eine Handvoll Aufgaben, die besonders wichtig sind für dein Vorankommen und bei denen du dich besonders stark konzentrieren musst. Das sind deine “Big Rocks”. Es kann sich lohnen, dich punktuell durch den Einsatz von Nikotin pushen, um diese Big Rocks konzentrierter und fokussierter zu erledigen.
Du setzt Nikotin deshalb zwar mehrmals die Woche ein, allerdings unregelmäßig und nur punktuell, um besonders wichtige Aufgaben zu erledigen. Dabei fällst du die Entscheidung, Nikotin zuzuführen, ganz individuell in Anbetracht der konkreten Aufgabe, die du zu erledigen hast.
Dazu fragst du dich vor jeder Aufgabe:
- Ist sie wichtig (und nicht etwa nur dringend)?
- Bringt sie dich bei deinen selbstgesetzten Zielen voran?
- Wird Nikotin dir dabei helfen, die Aufgabe besser zu erledigen?
Nur wenn du alle diese Fragen mit “Ja” beantworten kannst, entscheidest du dich für eine Dosis Nikotin. Dabei setzt du dir ein wöchentliches Limit an Gesamtnikotin, das du unter keinen Umständen überschreitest.
Da es bei Nikotin keine wissenschaftliche, langfristig als “sicher” ermittelte Einnahmemenge gibt, musst du dir dieses Limit ganz persönlich setzen. Ich empfehle dir dazu folgende Überlegungen:
a. Nicht jeden Tag
Du solltest mindestens einen Arbeitstag in der Woche vollständig auf Nikotin verzichten, um dich bei der Erledigung von schweren Aufgaben nicht generell an Nikotin zu gewöhnen.
b. Nur einmal pro Tag
An den anderen Arbeitstagen solltest du lediglich bei einer Aufgabe, einem Big Rock, Nikotin zum Biohacking einsetzen.
c. Niedrig dosieren
Die Einzeldosis Nikotin sollte 1 mg nicht überschreiten; ideal sind 0,5 mg oder noch weniger – eben deine persönliche, minimal effektive Dosis. Teile die Nikotinkaugummis zu Beginn daher mit einem Messer so oft wie möglich, um sie möglichst niedrig dosieren zu können.
Aus diesen Überlegungen heraus wird sich deine wöchentliche Gesamtmenge an Nikotin wohl irgendwo zwischen 2 und 6 mg einpendeln.
📈 Der Phasen-Konsument – Nikotin als Kur
In deinem Leben gibt es phasenweise sehr stressige Zeiten. Die Prüfungsphase im Studium oder ein wichtiges Projekt mit fixer Deadline im Job sind klassische Beispiele. Du möchtest Nikotin kurzfristig in diesen Phasen einsetzen, um sie souveräner zu meistern.
Die Kurzfristigkeit der Einnahme erlaubt es dir, höhere Dosen zuzuführen als der Booster. Ähnlich wie er wägst aber auch du genau ab, ob es eine Phase “wert” ist, Nikotin einzusetzen. Frage dich hierzu:
- Wird die Phase nicht nur einfach stressig, sondern musst du in ihr auch tatsächlich wichtige Aufgaben erledigen?
- Ist das souveräne Absolvieren der Phase wichtig, damit du bei deinen persönlichen Zielen vorankommst?
- Wird Nikotin dir dabei helfen, die Phase mit einem besseren Output zu absolvieren?
Nur wenn du wiederum alle diese Fragen mit “Ja” beantwortet hast, entscheidest du dich für eine Nikotin-Phase. Um auch hier die Suchtgefahr und die Gewöhnungseffekte zu minimieren, empfehle ich dir folgende Regeln:
a. Maximal zwei Wochen
Eine Phase sollte niemals länger andauern als zwei Wochen, da nach meiner Erfahrung ansonsten die Gewöhnungseffekte zu stark einsetzen. Definiere deshalb vorher fix Start- und Enddatum der Phase.
b. Ausreichend Pausen zwischen den Phasen
Lasse zwischen zwei Phasen ausreichend zeitlichen Abstand, um deinen Körper vollständig vom Nikotineinsatz zu entwöhnen. Ich empfehle dir als Pausendauer nach einer Phase mindestens die Phasendauer mal drei; hast du also eine zweiwöchige Nikotinphase eingelegt, solltest du mindestens sechs Wochen pausieren.
c. Bewusster Konsum
Auch in den Nikotin-Phasen solltest du nicht einfach blindlings Nikotinkaugummis einwerfen, um die Gewöhnungseffekte im Rahmen zu halten. Versuche dich also auch hier vor jeder besonders anstrengenden Aufgabe bewusst für (oder gegen) Nikotin zu entscheiden. Beginne mit der für dich minimal effektiven Dosis, idealerweise also 0,5 mg oder weniger. Allerdings wirst du in jeder Phase Gewöhnungseffekte spüren, die dich dazu zwingen werden, diese Dosis zu erhöhen. Steigere die Einzeldosis innerhalb einer Nikotinphase aber nicht über 2 mg.
d. Tägliches Höchstlimit
Definiere dir für jede Phase ein tägliches Höchstlimit an Nikotin. Ich empfehle dir hier zwischen 4 und 6 mg. Bedenke auch hier, dass du während jeder Phase eine Toleranz aufbauen wirst. Deshalb solltest du dein Tageslimit zu Beginn auf keinen Fall ausschöpfen, damit du zum Ende einer Phase noch ausreichend “Puffer” hast, um die Dosis zu erhöhen.
☕ Der Koffein-Resetter – Nikotin als Koffein-Substitut
Durch den exzessiven Konsum von Kaffee oder sonstigen Koffeinquellen hast du dir eine hohe Koffeintoleranz aufgebaut. Diese möchtest du abbauen, allerdings fürchtest du die Nebenwirkungen und Leistungseinbußen eines Koffeinentzugs. Indem du für eine gewisse Zeit sukzessive Koffein durch Nikotin ersetzt, kannst du über einen kurzen Zeitraum effektiv deine Koffeintoleranz senken.
Ähnlich wie der Phasen-Konsument setzt du Nikotin zeitlich beschränkt ein, allerdings mit anderen Absichten: Du willst deine Koffeintoleranz bändigen, indem du einzelne Dosen Koffein durch Nikotin ersetzt.
Beachte dabei: Koffein und Nikotin wirken beide zwar stimulierend, allerdings unterscheiden sich doch die Wirkungsspektren. Vereinfacht gesagt macht Koffein “wacher”, während Nikotin konzentrierter macht. Davon ausgehend musst du dir im Klaren sein, dass du nicht jede beliebige Dosis und schon gar nicht von heute auf morgen alle Dosen Koffein durch Nikotin ersetzen kann – Nikotin ist kein vollständiges Substitut für Koffein.
So hilft dir Koffein auch dann gut weiter, wenn du dich schlapp oder müde fühlst, während Nikotin hier wenig Effekte zeigen wird. Nimmst du also die Koffeindosis zu dir, um ein solches “Minus” auszugleichen, solltest du nicht versuchen, das Koffein mit Nikotin zu substituieren.
Dient das Koffein in der konkreten Situation hingegen dazu, einen zusätzlichen Energieschub zu akquirieren, so kannst du erwägen, stattdessen eine Dosis Nikotin zu dir zu nehmen. Denn auch Nikotin hilft dir dabei, ein “Plus” zu erzielen.
Experimentiere dabei ein wenig, bei welchen Aufgaben sich die Substitution mit Nikotin mehr anbietet und bei welchen weniger.
Nikotin kann ein guter Biohack sein, allerdings musst du die Suchtgefahr im Hinterkopf haben. Du solltest Nikotin also nur dann einsetzen, wenn du bereit bist, einiges in die Planung zu investieren. Denn nur so kannst du sicherstellen, dass dir Nikotin auch wirklich helfen kann.
Wie sieht es bei dir aus? Hast du schon Erfahrungen mit Nikotin zur Steigerung deiner Leistungsfähigkeit gesammelt? Hat dich mein Artikel dazu inspiriert, das einmal auszuprobieren? Oder ist dir der Aufwand für eine Nikotinstrategie zu groß oder das Risiko zu hoch?
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