Hältst du es für möglich, dir die Reihenfolge eines ganzen Kartendecks zu merken?
In nur zwei bis drei Minuten!?
Was denkst du wie erstaunt deine Freunde von dir wären, wenn du ihnen diesen „Trick“ vorführst?
Im letzten Artikel Vorteile von Mnemotechnik im Alltag konntest du lesen, wie Mnemotechnik (Gedächtnistraining) grundsätzlich funktioniert. Heute gebe ich dir eine Anleitung an die Hand, wie du mächtigere Merkmethoden einfach erlernen kannst.
Ich selbst war zu Beginn skeptisch; sehr sogar. Wie soll ich mir innerhalb von 2-3 Minuten ein komplettes Kartendeck merken? Das geht doch gar nicht! Schnell habe ich jedoch festgestellt, wie gut die Theorie der Mnemotechnik in der Praxis funktioniert und war sofort davon begeistert.
Um diese Begeisterung mit dir zu teilen, habe ich als Beispiel das Auswendiglernen eines Kartendecks herausgegriffen. In diesem Artikel erkläre ich dir Schritt für Schritt, wie dies geht.
Dabei werden wir zwei Bestandteile (zwei Merkmethoden) einsetzen, um das Kartendeck auswendig zu lernen (auch memorieren genannt). Der erste Bestandteil ist die sogenannte LOCI-Methode, der zweite die Transformation des Kartendecks.
Der erste Teil: Die LOCI-Methode
Schauen wir uns zunächst das Fundament an: Die LOCI-Methode.
Das Wort LOCI stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Ort. Wir merken uns bei der LOCI-Methode demnach Orte. Klingt simpel, ist es auch!
Alles was du tun musst, ist dir 32 Orte zu merken. Mit diesen 32 Orten wirst du später die Karten des Kartendecks in Verbindung bringen. Wie das geht, erkläre ich weiter unten.
Zunächst einmal ist es wichtig, welche 32 Orte du dir merken solltest und wie du dies am leichtesten schaffst.
Welche Orte sich für die LOCI-Methode eignen
Im Grunde eignet sich jeder dir bekannte Ort!
Ein Ort auf deiner Laufstrecke, einem Spazierweg, deinem Wohnzimmer oder Orte auf dem Weg zur Universität.
Wichtig ist, dass du die Orte gut kennst und sie sich gut voneinander unterscheiden lassen. Außerdem ist es wichtig, dass du ein ausdrucksstarkes Bild und eventuell sogar Emotionen mit diesem Ort verbinden kannst.
Meine Empfehlung: Wähle 32 Orte vom Aufstehen bis zur Universität.
Wenn du an deinen Weg zur Uni denkst, entsteht dabei automatisch eine chronologische Reihenfolge: Zuerst stehst du aus dem Bett auf, machst dir Kaffee, gehst ins Badezimmer, … , steigst in die U-Bahn und kommst schließlich am Campus an.
Diese Reihenfolge hilft enorm beim Lernen; da wir uns den geistigen Faktor der Logik zu Nutze machen.
Wie du dir die Orte merkst
Gehe deinen täglichen Weg zur Uni mehrmals im Geiste durch und entscheide, welche Orte geeignet sind und nimm diese Orte in deine Sammlung auf.
Zögere nicht deine Sammlung zu korrigieren! Falls dir ein Ort öfters nicht einfällt, dann ist es vermutlich eine schlechte Wahl gewesen. 😉
Lasse dir dabei Zeit (30 Minuten), du wirst diese Sammlung von Orten noch sehr lange nutzen.
Skizzen, Assoziationen oder Emotionen, die dir zu diesem Ort einfallen, können sehr hilfreich sein!
Wenn du fertig bist, schreibe dir die Sammlung an Orten auf ein Blatt Papier. Während du die Orte aufschreibst, lernst du sie bereits. Ich habe dir hierzu einen Vordruck erstellt, den du nutzen kannst. Dabei habe ich auch noch genügend Platz für Notizen gelassen.
Meine Sammlung von Orten auf dem Weg zur Universität
# | Ort | Erklärung |
1 | Decke | Beim Aufwachen schaue ich an die Decke |
2 | Fenster | Ich richte mich auf und schaue durch das Fenster |
3 | Füße | Ich stehe mit beiden Füßen auf (der Boden ist aus Parkett) |
4 | Wäscheständer | Mein Wäscheständer steht im Schlafzimmer |
5 | Treppe | Ich gehe mit meinen Füßen die Treppe meiner Empore hinunter |
6 | Balkon | Ich schaue auf meinen Balkon |
7 | Olympia-Turm | Aus dem Fenster kann ich den Olympia-Turm sehen |
8 | Schreibtisch | Ich blicke auf meinen Schreibtisch |
9 | Herd | Ich gehe in die Küche und blicke auf den Herd |
10 | Frühstück | Ich öffne den Kühlschrank um mir Frühstück zu machen |
11 | Bad | Ich gehe in das Bad |
12 | Rucksack | Ich greife meinen Rucksack |
13 | Schlüsselablage | Auf der Schlüsselablage greife ich nach meinen Wertsachen |
14 | Flur | Ich gehe den Flur entlang |
15 | Fahrstuhl ein | Ich steige in den Fahrstuhl ein |
16 | Fahrstuhl aus | Ich steige aus dem Fahrstuhl aus |
17 | Apotheke | Ich gehe an einer Apotheke vorbei |
18 | Pizzeria | Ich gehe an einer Pizzeria vorbei |
19 | Uhr | Ich schaue auf die Uhr und renne (eigentlich immer) zur U-Bahn |
20 | Treppen | Ich sprinte die Treppen hinunter |
21 | Warten | Ich war nicht schnell genug und muss auf die nächte U-Bahn warten |
22 | U-Bahn Station | U-Bahn Station: #1 |
23 | U-Bahn Station | U-Bahn Station: #2 |
24 | U-Bahn Station | U-Bahn Station: #3 |
25 | U-Bahn Station | U-Bahn Station: #4 |
26 | Eingangshalle | Ich trete in die Eingangshalle der Universität |
27 | Studenten | Ich sehe viele Studenten |
28 | Lehrstuhl | Ich gehe zum Lehrstuhl |
29 | Wichtige Persönlichkeit | Eine wichtige Persönlichkeit begegnet mir auf dem Flur |
30 | Vorlesungsraum | Ich trete in den Vorlesungsraum |
31 | Freunde | Ich begrüße meine Freunde in der Vorlesung |
32 | Professor | Ich höre dem Professor zu |
Der zweite Teil: Die Transformation des Kartendecks
Nachdem wir uns mit der LOCI-Methode (unserem Fundament) auseinandergesetzt haben, müssen wir einen Weg finden uns die Karten zu merken.
Das Problem
Die Schwierigkeit an einem Kartendeck ist, dass es etwas Abstraktes ist.
Schaue 3 Sekunden auf die folgende Zahl:
21061969
Konntest du sie dir merken?
Nein?
Schaue 3 Sekunden auf diese Zahl:
21.06.1969
Schon einfacher, oder?
Sobald unser Gehirn Muster sieht, auf bekannte Informationen zurückgreifen kann oder Logik in Dingen erkennt, können wir uns Sachverhalte leichter merken.
Die Lösung
Die Karten eines Kartendecks sind etwas Abstraktes für unser Gehirn. Wir müssen die Informationen deshalb transformieren, genauso wie das Datum oben. 😉
Dafür nutzen wir Merkbilder (Eselsbrücken). Dadurch haben wir etwas Greifbares für unser Gehirn geschaffen und können uns die Karten leichter merken.
Die Merkbilder der Karten
Jeder der 32 Karten wird ein Merkbild zugewiesen: 1
Symbol | Kreuz | Pik | Herz | Karo |
7 | Pistole | Sense | Arm / Knochen | Peitsche |
8 | Handschellen | Schneemann | Herz | 2 Jonglierbälle |
9 | Giftspritze | Sonne | Tupfer | Großer Clownsschuh |
10 | K.O.-Spray | Blume | Bett | Trommel |
Bube | Verbrecher | Affe | Baby | Clown |
Dame | Geld | Ziege | Krankenschwester | Seiltänzerin |
König | Richter | Gärtner | Doktor | Löwe |
Ass | Gesetzbuch | Tannenbaum | Hut | Zirkuszelt |
Warum genau diese Merkbilder, Matthias?
Darum!
Spaß beiseite, das Ganze lässt sich anhand der geistigen Faktoren (siehe vorheriger Artikel) erklären:
- Transformation: Wir transformieren die Karten zu einem Gegenstand, einem Tier oder einer Person.
- Assoziation: Die Kreuz 7 ähnelt einer Pistole, die Karo 8 zwei Jonglierbällen und der Kreuz König einem Richter.
- Logik: Jeder Kategorie (Kreuz, Pik, Herz, Karo) ist einem Thema gewidmet:
- Kreuz der Justiz und dem Verbrechen
- Pik der Natur und der Umwelt
- Herz dem Krankenhaus
- Karo dem Zirkus
Die Symbole: Bube, Dame, König und Ass bilden zudem eine Hierarchie im Themengebiet.
- Visualisation: Wir wählen lebhafte und ausdrucksstarke Merkbilder, damit diese uns leichter in Erinnerung bleiben.
Die Kombination von LOCI-Methode und Transformation
Kommen wir nun zum wirklich spaßigen Teil!
Wir stricken uns eine Geschichte, indem wir die 32 Orte (LOCI-Methode) mit den 32 Merkbildern der Karten (Transformation) verbinden. Hierbei sind deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt. Umso skurriler, umso besser. 😉
Eine beispielhafte Geschichte
Weil Bilder Beispiele mehr sagen als 1.000 Wörter, folgt ein Ausschnitt meiner letzten Geschichte:
Du stehst morgens aus dem Bett auf und neben dir liegt eine Ziege, die ein kratziges Fell hat und dich abschleckt, du ekelst dich. (Pik Dame)
Danach richtest du dich auf und schaust aus dem Fenster, plötzlich taucht ein riesiger Kopf von einem Clown auf und du fürchtest dich. (Karo Bube)
Anschließend stehst du aus dem Bett auf, dabei rutscht du auf einem Gesetzesbuch aus und du stößt dir den Kopf. (Kreuz Ass)
Du gehst mit einer dicken Beule die Treppe herunter, auf der Treppe liegt ein Herz auf dass du trittst, das Gefühl an deinen Füßen ist sehr merkwürdig. (skurril, aber es hilft!) (Herz 8)
Du schaust aus dem Fenster, du siehst einen Riesenaffen (King-Kong) auf einem Gebäude hochklettern. Du bist verwundert und lachst, dabei denkst du dir „hey, sowas gibt’s doch nur im Fernsehen!“. (Pik Bube)
Du wendest dich zu deinem Schreibtisch, auf einmal stößt dir ein riesen Tannenwald entgegen, der dich umwirft. Im ersten Moment erschrickst du und wirst anschließend umgeworfen. Du kannst die Nadelbäume riechen und spürst, wie dich die Nadel piksen.
Vor lauter Ärger nimmst du eine Pistole und schießt auf deine Herdplatten. Das Geräusch der Pistole ist laut und die zersplitternden Herdplatten fallen auf den Boden. Du trittst mit dem Fuß darauf und tust dir höllisch weh (als wenn du am Strand auf eine Scherbe trittst). (Kreuz 7)
Genervt öffnest du den Kühlschrank und gönnst dir erstmal zwei Kugeln Eis, die aussehen wie Jonglierbälle. Du freust dich riesig darüber, das Schoko-Eis schmeckt gut! (Karo 8)
Die Zeit wird langsam knapp, du musst schnell zur Universität und greifst nach deiner Tasche. Dabei wird deine Hand sofort furchtbar kalt! Ein Schneemann steckt in deinem Rucksack. (Pik 8)
Beim Greifen nach deinen Schlüsseln stößt du dir den Arm und brichst ihn dir dabei! Du hast höllische Schmerzen. (Herz 7)
Auf dem Hausflur angekommen, schaust du nach links, dort steht ein Löwe. Der Löwe sieht dich an und jagt dich den Flur hinunter. Du hast riesige Angst, aber hattest es im Grunde ja eh eilig. (Pik König)
Im Hausflur drückt dir eine Mutter unerwartet ihr Baby in die Hand. Du flüchtest mit dem schreienden Baby auf dem Arm den Flur hinunter zum Fahrstuhl.
Dem Löwen entkommen, nimmt dir im Fahrstuhl eine vertrauenswürdige Krankenschwester das Baby ab. Du bist erleichtert: Das Baby ist sicher und der Löwe konnte dich nicht erwischen! (Herz Dame)
Wie du siehst habe ich meine Fantasie genutzt, um eine witzige und skurrile Geschichte entstehen zu lassen. Mit etwas Übung fallen auch dir solche Geschichten ein.
Wenn du das Kartendeck in 3 Minuten (180 Sekunden) memorieren kannst, sind es ungefähr 5-6 Sekunden pro Geschichte. Du wirst feststellen, wie du mit etwas Übung sehr schnell wirst!
Tipps zum Geschichten gestalten
Viele der Geschichte sind mit Emotionen verbunden. Nach Möglichkeit solltest du das ganze Spektrum abdecken: von Angst und Schmerz bis hin zu Freude und Liebe.
Hierfür ist die Wahl der Merkbilder natürlich ausschlaggebend: Einen Dieb wirst du leicht mit Angst und Gefahr in Verbindung bringen, ein Herz eher mit Liebe oder Freude.
Oft werden auch Sinneswahrnehmungen verwendet: Wie fühlt es sich an, wenn du das Merkbild berührst? Welche Geräusche macht es?
Ist es z. B. kalt wenn ein Schneemann (Pik 8) auftaucht? Schwitzt du und ist dir heiß, weil im Badezimmer plötzlich die Sonne (Pik 9) scheint oder ist es laut, wenn du mit den Schlägern einer Trommel (Karo 8) auf dein Auto schlägst?
Das Training
Wie du beim Training vorgehst
- Sammlung von Orten erstellen: Finde geeignete Orte vom Aufstehen bis zur Universität. Schreibe dir die Orte auf ein Blatt Papier und mache dir Notizen. Hier findest du eine Vorlage. (30 Minuten)
- Auswendiglernen der Orte: Lerne die geschrieben Orte auswendig. Zögere nicht deine Sammlung zu korrigieren! Falls dir ein Ort öfters nicht einfällt, dann ist es vermutlich eine schlechte Wahl gewesen. (45 Minuten)
- Transformation erlernen: Drucke dir die Transformation der Karten aus und lerne sie auswendig. Hier kannst du die Liste als PDF herunterladen. (45 Minuten)
- Beides kombinieren: Lege dir das Kartendeck neben dein Bett und absolviere eine Wochen lang ein bis zwei Durchgänge bevor du schlafen gehst oder nachdem du aufgewacht bist (jeweils 10-20 Minuten). Nach einer Woche (etwa 120 Minuten) wirst du bei einer Zeit von drei Minuten angekommen sein!
Tipps für dein Training
- Lerne bei der Kombination zunächst nur einen Teil der Karten (8, 14, 20, …) und steigere dich langsam
- Lasse dir bei den ersten Durchläufen ruhig genügend Zeit. Du wirst feststellen, dass du die Geschichte öfters wiederholst – ähnlich wie bei „Ich packe meinen Koffer und nehme mit“
- Lasse dir beim Aufsagen der Karten zu Beginn ebenfalls viel Zeit.
- Stoppe stets deine Zeit. Die Standardfunktion des Smartphones reicht vollkommen aus.
- Wenn du den Bogen raus hast, traue dir zu die Geschichte kein einziges Mal zu wiederholen, wenn du eine neue Karte hinzufügst (anders erreichst du nicht die Zeit von drei Minuten).
- Du wirst erstaunt feststellen, dass es auch ohne ein Wiederholen der Geschichte funktioniert. Erlaube dir dabei auch mal Fehler zu machen.
Fazit
Mit dem Erlernen dieser Technik kannst du nicht nur deine Freunde beeindrucken. Du hast auch dein kreatives und vernetztes Denken trainiert, indem du binnen weniger Sekunden immer neue Geschichten vor deinem Auge entstehen lassen hast. Dadurch fällt es deinem Gehirn leichter, auch für die alltäglichen Probleme mehrere „Kombinationen“ (Lösungsansätze) zu finden.
Schon mit geringem Zeitaufwand ist es möglich ein ganzes Kartendeck in nur 3 Minuten auswendig zu lernen! Hättest du gedacht, dass es so einfach ist?
Ich würde mich freuen von deinen Erfahrungen mit diesem Experiment zu hören.
Hattest du Schwierigkeiten oder brauchst Hilfe bei einem der Schritte? Dann stelle uns eine Frage in den Kommentaren. Oder hast du vielleicht selbst bessere Merkbilder oder Tipps, um Karten schneller zu memorieren? Lass es uns wissen!
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