Motivationsratgeber füllen nicht nur ganze Bibliotheken, sondern auch große Teile des Internets. Eine kurze Googlesuche mit einer Trefferanzahl von 442 Millionen bestätigt das eindrucksvoll. Höchste Zeit also, dieser knappen Informationsressource noch einen weiteren Artikel hinzuzufügen …
Warum das? Der offensichtlichste Grund hierfür ist folgender: Du bist hier und liest just in diesem Moment diesen Artikel. Das heißt entweder, du hast gerade
- keine Motivation eine anstehende Aufgabe zu erledigen und prokrastinierst
- du willst deinen Wissensdurst nach mehr Motivationslektüre stillen oder
- du bist es leid immer wieder die gleichen Tipps zu lesen und erwartest von diesem Artikel einen neuen Tipp, den du noch nicht kennst.
Egal was deine Motivation auch ist – um das Thema gleich im Kern aufzugreifen – ich beleuchte es heute von einer gänzlich anderen Seite. Von einer Seite, die ich erst im letzten Jahr für mich begriffen habe und was für dich den Zugang zum Thema Motivation womöglich deutlich erleichtern kann.
Menschliche Motive – Formen der Motivation
Sicherlich sind dir die Begriffe extrinsische und intrinsische Motivation bekannt, über die du spätestens in den ersten Jahren deines Studiums gestolpert bist. Einfach ausgedrückt bedeuten die Begriffe folgendes:
Extrinsische Motivation ist die durch äußere Reize hervorgerufene Motivation, beispielsweise der Wunsch nach Anerkennung, Geld oder das Vermeiden einer Bestrafung (wie etwa die schlechte Benotung einer Klausur).
Intrinsische Motivation hingegen kommt von innen. Es ist eine Motivation die aus dir selbst herauskommt, weil dir bestimmte Tätigkeiten einfach Spaß machen, dich interessieren oder du sie als persönliche Herausforderung siehst.
Idealerweise – und das sollte das Ziel sein – überschneiden sich beide Motive. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn dir deine Arbeit Spaß macht, herausfordernd ist und du dafür eine angemessene Bezahlung und Anerkennung in deiner Peergroup erhältst. Tritt diese Situation ein, dann bist du hochmotiviert, gehst gerne in die Arbeit, bringst Höchstleistung und bist dadurch auch glücklich.
Aus dem Forschungsgebiet der positiven Psychologie wissen wir – und das zeigt uns nahezu jede Studie aus diesem Bereich – dass wir Glück jedoch nicht finden können. Wir müssen uns das Glück selbst machen! Die Volksweisheit, jeder sei seines Glückes Schmied, scheint daher keinesfalls weit hergeholt zu sein.
There are many ways to be happy, but we cannot find happiness. No object, no event, no outcome or life circumstance can deliver real happiness to us. We have to make our own happiness. 1
– Jane McGonigal, Autor und Spieleentwicklerin
Diese Erkenntnis aus jahrzehntelanger Forschung ist dahingehend sehr spannend, da sie doch die Wertigkeit der extrinsischen Motivation ungemein konterkariert. Denn wenn wir „Glücklichsein“ als einen wichtigen Teil unseres Lebens bzw. sogar als Sinn unseres Lebens sehen, dann läuft ein Großteil unserer Gesellschaft mit ihren „modernen Zielvorstellungen“ in die völlig falsche Richtung.
Zwar bringen uns externe Faktoren kurzzeitig Glück, dieses Gefühl hält jedoch nicht lange an. Wir entwickeln eine Art Glücksschwelle, die sich mit der Zeit immer weiter nach oben verschiebt und wir immer mehr Geld, materielle Gegenstände oder Status brauchen um die gleiche Intensität an Glücksempfinden zu erleben. In der positiven Psychologie wird eben dieser Effekt „hedonic adaption“, zu deutsch die Hedonische Tretmühle, genannt. 2
Je mehr wir kaufen, konsumieren oder unseren Status verbessern, desto schwieriger wird es für uns glücklich zu sein. Durch das Streben nach externen Faktoren sabotieren wir uns selbst und damit unser Glück. 3
We have been conditioned to believe that the wrong things will make us lastingly happy. 4
– Sonja Lyubomirsky, Professor für Psychologie an der University of California, Riverside
Die Kernbotschaft ist daher folgende: Um nachhaltig motiviert und glücklich zu sein, musst du dich auf deine intrinsischen Motive fokussieren.
In verschiedenen Intensitäten und Kombinationen entsteht dadurch Freude, Zufriedenheit oder Liebe. Um diesen Prozess anzustoßen, sind wir nicht auf externe Faktoren angewiesen, sondern können diese aus uns heraus triggern. Wenn wir uns beispielsweise einer besonders herausfordernden Aufgabe annehmen, dann produziert unser Körper Adrenalin, wodurch wir selbstbewusster, energiegeladener und dadurch auch motivierter sind. 5
Falls diese Erkenntnis nicht neu für dich ist, möchte ich dir gerne folgende Frage mitgeben: Hast du aus dieser Erkenntnis in der Vergangenheit auch Konsequenzen und Handlungen abgeleitet? Oder gehst du primär weiterhin in die Arbeit um dir im nächsten halben Jahr ein schickes neues Auto kaufen zu können oder in eine größere Wohnung umzuziehen?
The person afflicted by hunger for power or money for its own sake is just that: afflicted. He is tormented by incessant desires for more without cause. He is the most likely to wear a social mask to succeed, and thus he is always unsure of himself and his life, the deep tear inside always causing him to obsess about how to get more, why he doesn’t have it already, and whom he will have to please or become in order to get it.
– Brendon Burchard, Autor
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es aufgrund unseres soziokulturellen Umfelds, in dem wir leben und aufgewachsen sind, sehr schwierig – wenn nicht gar unmöglich ist – von heute auf morgen seine persönliche Motivstruktur anzupassen. Wir wurden jahrzehntelang von unserem sozialem Milieu darauf konditioniert gewisse Dinge zu glauben und andere nicht. Ein Anpassung scheint daher oftmals unabdingbar, allerdings auch unglaublich schwer. Mit Anpassen meine ich hierbei, dass du deine ganz persönlichen Motive in den Vordergrund rückst und gesellschaftliche Motive aus der Struktur weitestgehend verdrängst, sofern sie konträr zu deinen wirklichen Motiven stehen.
Doch seine eigenen, intrinsischen Motive zu identifizieren ist ein langwieriger Prozess. Es ist keinesfalls damit getan den nächsten Artikel mit „7 Tipps für mehr Motivation“ zu konsumieren oder das nächste Motivationsvideo auf YouTube zu schauen (obwohl ich die von Mateusz M durchaus empfehlen kann 🙂 ).
Ein Trick, der zumindest mich in diesem Identifikationsprozess deutlich nach vorne gebracht hat, war ein einfacher Perspektivenwechsel. Zwar ist die Theorie von intrinsischer und extrinsischer Motivation leicht zu verstehen, aus meiner Sicht jedoch schwer zugänglich, wenn es um das Verstehen der eigenen Person und Motive geht.
Denn auch wenn ich weiß, dass intrinsische Motivation besser als extrinsische ist, wie leite ich daraus für mich konkret Handlungsempfehlungen ab, damit ich in Zukunft besser motiviert bin?
Ein Perspektivenwechsel – Die zwei Formen der Motivation
Gefunden habe ich diesen Perspektivenwechsel bei Brendon Burchard in seinem Buch The Motivation Manifesto (Tipp: Das Buch kann man zurzeit auch kostenlos bestellen, man muss nur die Versandkosten tragen und ggf. den E-Mail Newsletter wieder abbestellen. Die Lektüre des Buches ist tendenziell aber schwere Kost). Im Buch beschreibt der Autor zwei Hauptmotive unserer Spezies:
- Persönliche Freiheit und
- Angst
Motiv 1: Persönliche Freiheit
Als Menschen streben wir nach Freiheit in all seinen Formen. Wenn ich an Freiheit denke, so kommen mir als erstes folgende Dinge in den Sinn:
- Die Freiheit mich ungehindert zu bewegen, nicht eingesperrt zu sein.
- Die Freiheit meine Meinung zu äußern
- Finanzielle Freiheit (oder Sicherheit) zu haben.
It would be difficult to deny that all people worldwide deeply desire the grand freedoms – social freedom, emotional freedom, creative freedom, financial freedom, time freedom, and spiritual freedom. No matter a person’s religion or spiritual or life philosophy, they want the freedom to exercise it.
– Brendon Burchard, Autor
Wenn man den Begriff der Freiheit aber noch etwas weiterdenkt, kommt man schnell zu spannenden Erkenntnissen, denn Freiheit bedeutet auch:
- die Möglichkeit seine persönlichen Träume zu verwirklichen
- im Moment, im Hier und Jetzt, frei zu sein von emotionalen Verletzungen aus der Vergangenheit
- seine Gedanken, Gefühle und Ziele teilen zu können, ohne Sorge sozialer Ablehnung
- seiner Lebensmission zu folgen
Dies hat starke Implikationen auf unsere tägliche Motivation. Ein gutes Beispiel hierfür sind emotionale Verletzungen. Wurde man beispielsweise in der Vergangenheit in einer Beziehung verletzt, hat das oftmals langwierige Auswirkungen. Eine Ausprägung davon kann sein, dass man sich ein persönliches Schutzschild aufbaut und neue Menschen nicht mehr an sich ranlässt. Man ist emotional gefangen und hat große Teile seiner Freiheit aufgegeben. Es fällt einem schwer neue Beziehungen zu Menschen zu entwickeln, geht dadurch vielleicht nicht gerne in die Arbeit, nimmt an keinen sozialen Events teil und ist dadurch unmotiviert.
Diese Hemmnisse zu erkennen, im täglichen Alltag wahrzunehmen und die Ursachen zu reflektieren, können dir helfen, jetzt im Moment oder zumindest in der Zukunft, deine Motivation nachhaltig zu verbessern.
Freedom is tightly bound to the human desire for ascension – our natural drive to rise from our circumstances and actualize our goals, our potential, our highest self.
– Brendon Burchard, Autor
Motiv 2: Angst
Unser zweites Motiv, neben dem Streben nach persönlicher Freiheit, ist Angst. Sofern in bestimmten Situationen vorhanden, wird Angst im Vergleich zu Freiheit immer die stärkere Kraft sein. Entweder es gewinnt die Angst, oder es gewinnt die Freiheit.
You don’t understand. I can’t chase my dreams because I might fail – I might not be good enough.
Spannend dabei ist, dass Angst im Grunde genommen etwas sehr Positives ist. Denn Angst schützt uns vor physischer Verletzung oder auch dem Tod. War Angst früher – zu Zeiten des Säbelzahntigers – ein überlebenswichtiger Mechanismus des Menschen, so ist sie heute unser größtes Hindernis um persönlich zu wachsen.
Wenn wir behaupten Angst zu haben, dann sprechen wir in 99 Prozent der Fälle nicht von der Angst physisch verletzt zu werden, sondern vielmehr von der Angst, dass unser “Selbstbild”, unser Ego, verletzt wird.
Angst ist in der heutigen Zeit zu einem Apparat verkommen, der lediglich zum Schutz des eigenen Selbstwertes dient.
Nehmen wir als Beispiel einen Vortrag, den du vor 100 Leuten halten musst. Kurz vor dem Vortrag blickst du in den Saal, wo alle Gesichter in den nächsten 10 Minuten nur deinen Worten lauschen werden. Du bist aufgeregt und wirst wahrscheinlich auch behaupten, du hättest (ein kleines bisschen) Angst. Doch warum hast du Angst? Niemand wird auf die Bühne springen, dich umtackeln und dir das Fleisch vom Leib reißen. Vielmehr bist du besorgt, dass du Fehler machen oder sogar “versagen” könntest; du befürchtest deinen Ruf, deinen sozialen Status, zu verlieren. Du hast Angst, dass dein Ego verletzt wird.
Ein spannendes Zitat zum Thema habe ich vergangene Woche auf der Gründerkonferenz Bits&Pretzels in München von Stefan Raab’s Keynote mitgenommen:
Die Angst vor der Blamage ist eines der größten Hindernisse.
– Stefan Raab, Fernsehmoderator und Unternehmer
Das Problem mit der Angst ist allerdings noch weitreichender: Wenn wir durch Angst motiviert sind, dann vergessen wir unser persönliches Zentrum und vielleicht auch unseren Charakter. Wir werden von äußeren Umständen und nicht von uns selbst getrieben. Angst kann uns kontrollieren, allerdings nur, wenn wir dies auch zulassen!
A great maturity opens in the human psyche when we accept that we can control our impulses by conditioning our thoughts, and that we alone are responsible for our emotions and reactions in life.
– Brendon Burchard, Autor
Das beste Beispiel hierfür ist womöglich die Klausurvorbereitung. Die Phase wenige Tage vor dem Klausurtermin, in der man plötzlich massive Bedenken bekommt, dass man den übrigen Lernstoff nicht mehr schaffen wird. Plötzlich ist man „innerlich blockiert“, man macht sich Sorgen und die eigene Motivation scheint mit einem Wimpernschlag verflogen. Die Angst vor dem Versagen hat die Kontrolle übernommen.
Ist man nicht in der Lage dieses Gefühl zu kontrollieren, hilft oft ein kleiner Gedankentrick, um die Motivation wieder zurückzugewinnen.
Überlege dir folgendes: Was ist das absolut Schlimmste, das Worst-Case Szenario, das eintreffen könnte? Durch die Klausur fallen? Got it. Was ist mit der Nachholklausur? Was ist mit dem Nachschreiben der Klausur im nächsten Semester? Was ist mit einem Studiengangswechsel?
Das alles mag nicht harmlos sein, du wirst jedoch in keinem der Fälle physisch verletzt. Vielmehr bist du es selbst, der sich diese schwere Bürde auferlegt hat, weil du dein Selbstbild schützen möchtest. Die obigen Überlegungen helfen dir dabei, deinen eigenen Anspruch zu relativieren und gelassener an das jeweilige Thema ranzugehen.
Zusätzlich kannst du in die ad-hoc Ubermind-Trickkiste greifen und dich der 3-Sekunden Regel bedienen um deine Angst zu überwinden. Halte dazu kurz inne, sammle dich und starte in den nächsten 3 Sekunden mit ebenjener Aufgabe, vor der du Angst hast (die Regel hilft im Übrigen auch für’s Ansprechen von Frauen …)
Der eine Tipp für mehr Motivation in 30 Sekunden
Das nächste Mal, wenn dir scheinbar wieder die Motivation fehlt um weiterzumachen, dann befrage nicht zuerst das große Google Orakel nach mehr Motivation, sondern rufe dir obige zwei Formen der Motivation ins Gedächtnis.
Bist du unmotiviert, weil du Angst hast? Angst vor einem Versagen und damit verbunden die Angst dein Ego zu verletzen? Mir selbst hat dieser Artikel beispielsweise immer wieder Motivationslöcher beschert. Mir hat mein eigener Anspruch die Motivation geraubt an etwas zu arbeiten, was mir selbst sehr wichtig ist. Ich hatte mehrmals davor zurückgeschreckt diesen Artikel anzugehen, da ich die Befürchtung hatte, er könnte nicht der Beste seiner Art werden. Und ist er das geworden? Höchstwahrscheinlich nicht, aber ich habe die Angst erfolgreich bekämpft, die Kontrolle zurückgewonnen und kann damit hoffentlich ein paar Menschen helfen.
Die zweite Möglichkeit ist, dass du unmotiviert bist, weil du persönlich nicht frei bist. Bist du emotional gefangen, weil du beispielsweise gerade eine Situation erlebt hast, die dich an Verletzungen aus der Vergangenheit erinnert? Verletzungen der Vergangenheit, die deine Motivation und Stimmung negativ beeinflusst haben?
Unabhängig davon was der Auslöser ist, mein goldener Tipp für mehr Motivation in diesem Moment ist folgender:
Versuche die Veränderung deiner Motivation bewusst wahrzunehmen und reflektiere die Ursachen. Dadurch hebst du die Situation auf eine neue Abstraktionsebene, wodurch du deine Motivation schnell wieder zurückgewinnst.
Im Nachgang oder sobald du genügend Zeit findest, kannst du dann mit der Bekämpfung der Ursachen beginnen. Dadurch steigerst du deine Motivation nicht nur temporär, sondern nachhaltig.
Ein letzter Schritt – ich weiß, jetzt sind es mehr als nur ein Tipp geworden – noch zum Schluss: In Situationen in denen dir Motivation fehlt hilft es in den meisten Fällen nicht das große Ganze in Frage zu stellen. Vielmehr tust du gut daran, in diesem Moment einen einzelnen Aspekt zu analysieren. Für das große Ganze sollte man sich erstens wirklich Zeit nehmen und zweitens auch in der richtigen Stimmung sein.
Uberstrategie - Mache jetzt deinen ersten Schritt
In Situationen in denen du keine Motivation hast, mache eine kurze Pause und prüfe, in welche der beiden Kategorien deine derzeitige Situation passt:
- Deine persönliche Freiheit ist eingeschränkt. Du bist beispielsweise gerade abhängig von anderen Personen (soziale Freiheit) oder bist gehemmt, weil dich eine Verletzung aus der Vergangenheit (emotionale Freiheit) gerade daran hindert, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
- Du hast Angst. In der Regel wird dies nicht die Angst sein physisch verletzt zu werden, sondern vielmehr die Angst, dass dein Ego verletzt wird. Du befindest dich beispielsweise gerade vor einer Klausur oder einem Bewerbungsgespräch und hast Angst zu versagen.
Ist die Zuordnung erfolgt, hast du den ersten Schritt bereits gemeistert, denn du bist dir darüber bewusst geworden, was deine Motivation verändert hat. Im zweiten Schritt solltest du nun die Ursachen für diese Veränderung reflektieren. Was genau hat dazu geführt, dass du gerade unmotiviert ist?
Indem du dir diese Frage beantwortest, hebst du die Situation auf eine neue Abstraktionsebene, gewinnst den nötigen Abstand zum Thema und deine Motivation kehrt zurück. Um jedoch langfristig und nachhaltig motiviert zu bleiben, solltest du die identifizierte Ursache aber langfristig bekämpfen.
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