Zugegeben, mein Daumen auf dem Titelbild sollte tendenziell eher nach unten anstatt nach oben zeigen. Denn obwohl ich mich nicht unbedingt als starken Facebook-Nutzer bezeichnen würde, verbrachte ich im Dezember des letzten Jahres doch etwa 15 Stunden auf der Plattform. Ganz einfach so, schwups… zwei volle Arbeitstage.
Zwar sehe ich durchaus den großen Mehrwert des Netzwerkes und kann mich auch sehr gut mit der Mission des Unternehmens identifizieren, jedoch macht mir eine Sache immer größere Bedenken: Ich nutze Facebook seit geraumer Zeit schon völlig automatisch und unterbewusst. Mein Verhalten wurde – ohne dass ich es bemerkte – irgendwann auf Autopilot umprogrammiert.
To give people the power to share and make the world more open and connected.
– Mission Statement, Facebook Inc.
Ein Moment der Unachtsamkeit – oder unterbewusstem Ablenkungsbedürfnis – und schon finde ich mich eingeloggt bei Facebook wieder. 30 Minuten später dann die überraschende und profunde Erkenntnis, dass ich doch eigentlich was vollkommen anderes machen wollte. Naja, was soll’s, nur noch kurz prüfen wie viele Likes mein letzter Post erhalten hat und dann zurück an die Arbeit …
Das bringt uns zum zweiten Punkt: Das Teilen von persönlichen Informationen auf Facebook und der damit verbundenen Belohnung (in Form von Likes) motiviert unseren Körper zur Ausschüttung von Dopamin, dem menschlichen Glückshormon das uns – Trommelwirbel – glücklich macht. Das Facebook diesen Prozess triggert, beschreiben zwei Forscher aus Harvard in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2012:
We suggest that humans so willingly self-disclose because doing so represents an event with intrinsic value, in the same way as with primary rewards such as food and sex. 1
Die Folge: Wir können danach süchtig werden. Es läuft der gleiche physische Prozess in unserem Körper ab, der auch durch Rauchen, Alkohol oder Glückspiel verursacht wird. Um das Ganze noch mehr zu dramatisieren, haben Forscher sogar einen Zusammenhang zwischen intensiver Facebook-Nutzung und einer höherer Depressionsrate festgestellt. 2 Der Grund: Nutzer vergleichen sich ständig mit ihrer Peer Group.
Vielleicht hast du das selbst schon einmal erlebt: Du gehst gut gelaunt auf Facebook, klickst dich durch den Newsfeed und am Ende bist du schlechter gelaunt als vorher. Eine Erklärung hierfür lässt sich oft nicht direkt finden, denn es geschieht völlig unterbewusst. Genauso unterbewusst, wie vielleicht das Einloggen auf Facebook.
Einen spannenden und gleichzeitig erfrischenden Talk zum Thema gab vor kurzem Simon Sinek auf InsideQuest:
Die FitFa-Challenge
So viele scheinbar negative Folgen eine intensive Nutzung von Facebook auch haben mag, wir können dieser dunklen Seite entfliehen und uns wieder den positiven Aspekten des Netzwerks widmen. Dazu schalten wir jetzt den Horror-Modus wieder aus und bedienen uns der Macht der Rationalität. Demnach liegt die Lösung des Problems in einem bewussteren Umgang mit dem Medium Facebook.
Nun ja, das ist leichter gesagt als getan. Doch wie schaffen wir es, dass wir Facebook in Zukunft wieder bewusster nutzen und konsumieren?
Um das herauszufinden, führten wir mit einer Gruppe von experimentierfreudigen Ubermind-Lesern im Januar die FitFa-Challenge durch. FitFa steht für Fit ohne Facebook und die Idee dahinter ist folgende: Man verzichtet für 30 Tage auf Facebook, mit dem Ziel, seine Nutzungsgewohnheiten wieder zu ändern.
Dazu legten wir folgende Bedingungen fest: Jedes Mal, wenn das Verlangen aufkam sich auf Facebook einzuloggen, führte man 10 Liegestützen aus. Hierbei gab es zwei Varianten:
- Leichte Variante: Du machst 10 Liegestützen, sobald du im Browser begonnen hast die Webadresse von Facebook einzugeben oder auf das Facebook Lesezeichen geklickt hast.
- Verschärfte Variante: Du machst immer dann 10 Liegestützen, wenn du an Facebook denkst.
Das macht nicht nur körperlich fit, sondern auch geistig. Denn wenn wir nicht jede freie Minute unserer Zeit damit verschwenden unseren Facebook Newsfeed zu scannen, steigern wir unsere Kreativität.
Ideas happen when your mind wonders.
Laut einer Studie der University of California in Santa Barbara zur Folge steigert es unsere Kreativität und somit unsere Performance, wenn wir die Arbeit an einem Problem unterbrechen. 3 Dafür sorgt der sogenannte diffuse Denkmodus. Um jedoch in diesen Modus zu wechseln, müssen wir unsere Gedanken schweifen lassen. Das schaffen wir aber nur, wenn wir nicht durch unseren Facebook Newsfeed scrollen, sondern bewusste Pausen wie einen Spaziergang einlegen oder einfach nur in die Luft starren.
Ergebnisse der FitFa-Challenge: Lessons Learned
Auf den ersten Blick erschienen 30 Tage ohne Facebook sehr lange. Einen kompletten Monat auf Facebook verzichten, what?!? Da schotte ich mich doch von der kompletten Welt ab …
Weit gefehlt, wie die Ergebnisse des Gruppenexperiments zeigen.
Das Bedürfnis nach Facebook verschwindet schnell
Für mich sehr überraschend, aber der Großteil der Challenge-Teilnehmer beobachtete ein rapide sinkendes Bedürfnis nach Facebook. Hat man am Anfang bei jeder erdenklichen Pause noch die Facebook App geöffnet, so ist dieses Bedürfnis nach etwa 10 Tagen kaum mehr vorhanden gewesen. Viele der Teilnehmer berichteten auch, dass sie sich erst wenige Tage oder sogar Monate später (!!!) wieder bei Facebook eingeloggt haben.
Ein Blick auf meine eigene Liegestützen-Statistik (ich persönlich hatte die verschärfte Variante gewählt), bestätigte dieses Ergebnis.
Auf Facebook verpasst man nichts
Wenn ich meinen Beobachtungen trauen darf, dann konnte ich die letzten Jahre immer mehr feststellen, dass unsere Generation dem FOMO-Effekt (Fear Of Missing Out) gegenüber sehr anfällig ist. Ich erlebe immer wieder, dass Leute Angst verspüren, wenn sie das Gefühl haben etwas verpassen zu können.
Früher hatte ich dieses Gefühl auch öfter, bis ich von Friederike, einer charmanten und jungen Diplom Psychologen in einem Coaching einen für mich sehr wertvollen Tipp erhielt. Sie meinte zu mir, dass ich mich überhaupt nicht davor fürchten müsste etwas zu verpassen, denn ich verpasse tagtäglich so unglaublich viel auf dieser Welt.
Jetzt im Moment, an einem Samstagabend wo ich diese Zeilen schreibe, verpasse ich unzählige Partys, tolle WG-Abende, ein schönes Mittagessen in Kalifornien oder vielleicht eine mind-blowing und lebensverändernde Bekanntschaft. Doch das ist völlig in Ordnung, denn ich habe mich bewusst dazu entschieden an diesem Artikel zu arbeiten und kann mich das nächste Mal wieder für andere Alternativen entscheiden. Vielleicht mag dieser Gedanke, dass man jeden Tag so unglaublich viel verpasst, für manche erdrückend sein. Für mich war er jedoch sehr befreiend.
Das Gute daran, dieser kleine Gedankentrick kann genauso auf Facebook angewendet werden. Und seien wir doch mal ehrlich: Wichtige Ereignisse verpasst man auch dann nicht, wenn man auf Facebook verzichtet. Allerhöchstens bekommt man die eine oder andere Veranstaltung nicht mit, aber mit einem kleinen Trick kann man auch das umgehen. Denn Facebook Veranstaltungen können abonniert und somit direkt in den eigenen Kalender eingebunden werden. Dadurch landen Veranstaltungseinladungen direkt im Kalender, ohne sich bei Facebook einloggen zu müssen.
Dass ich während der 30 Tage nicht wirklich was verpasst hatte, bestätigte auch mein erster Blick auf die Anzahl der Nachrichten und Benachrichtigungen bei Facebook nach dem ersten Login.
Zwar erhielt ich während des 30-Tage Zeitraums insgesamt 6 Kontaktanfragen, 19 Nachrichten und 73 Benachrichtigungen, was Wichtiges war am Ende des Tages aber nicht dabei.
Facebook macht unser Leben nichts zwangsläufig sozialer
Es erscheint paradox, doch durch meine Facebook-Abstinenz haben sich meine sozialen Kontakte ausgedehnt und intensiviert. Ich nutze nun alltägliche Pausen nicht mehr um meinen Facebook Newsfeed zu scannen, sondern um mit Leuten aktiv ins Gespräch zu kommen oder ganz old-school zu telefonieren. Die Anzahl meiner Telefonate haben sich seither mehr als verdreifacht und die Frage nach Neuigkeiten in einem Gespräch mit Freunden macht nun endlich wieder Sinn. Im Vergleich zu früher gibt es dann nämlich tatsächlich Neuigkeiten, weil ich es vorher noch nicht auf Facebook gelesen hatte. Eine absolute Bereicherung!
Facebook ist nicht zwingend ein Suchtfaktor
Anders als in den Anfangszeilen dieses Artikels beschrieben, konnte ich Facebook nicht als gefährlichen Suchtfaktor identifizieren. Zwar war es anfangs durchaus schwer der Versuchung zu widerstehen, jedoch sank das Verlangen bereits nach wenigen Tagen merklich ab.
Dies mag eventuell an meinem eigenen Facebook-Verhalten liegen, denn ich poste nur sehr selten persönliche Informationen auf der Plattform und versuche mich ansonsten auch stark bei der Nutzung zu disziplinieren. Im Ergebnis heißt dies: Wenn ihr die ersten Tage übersteht, übersteht ihr auch den Rest.
Die Deinstallation der Facebook App ist bereits die halbe Miete
Zu Beginn der FitFa-Challenge haben wir jedem Teilnehmer des Gruppenexperiments empfohlen die Facebook App auf dem Smartphone zu deinstallieren. Dies hat sich als ein überaus wichtiger Schritt erwiesen, um die Facebook-Nutzung nachhaltig positiv zu prägen. Denn wenn man an der U-Bahn-Station warten muss und auf dem Smartphone keine Facebook App hat, nutzt man die Zeit anderweitig sinnvoll. Viele berichteten, dass sie sich mehr mit dem aktuellen Geschehen in der Welt auseinandergesetzt haben oder mehr Zeit zum Lesen eines Buches hatten.
Tipp: Um nicht einigen der unzähligen und verlockenden Marketing-E-Mails von Facebook zum Opfer zu fallen, empfiehlt es sich, die Facebook E-Mails mittels Filter automatisch zu löschen oder als gelesen zu markieren und in einen anderen Ordner zu verschieben.
Die Challenge wirkt nachhaltig
Als sehr vielversprechendes Ergebnis der Challenge konnte ich – und andere Teilnehmer – die Nachhaltigkeit der Challenge beobachten. Nutzte ich persönlich Facebook im Monat Dezember noch 15 Stunden, so konnte ich die Zeit nach der Challenge im Februar auf 4 Stunden und im März auf bisher 5 Stunden reduzieren.
Abgesehen davon, hat der Spitzenkandidat in unserem Experiment im Monat Januar insgesamt 530 Liegestützen gemacht. Das waren etwa ein Drittel mehr Liegestützen als ich machen musste (350). Im Ergebnis aber dennoch eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass man ansonsten überhaupt keine Liegestützen gemacht hätte.
Uberstrategie - Mache jetzt deinen ersten Schritt
Wenn auch du in Zukunft Facebook wieder bewusster und verantwortungsvoller nutzen möchtest, dann ist unsere 30 Tage FitFa-Challenge genau das Richtige für dich. Gehe dabei wie folgt vor:
Vorbereitung: Triff die nötigen Vorbereitungen für die 30 Tage FitFa-Challenge. Um der Versuchung bestmöglich zu widerstehen, mache folgendes:
- Deinstalliere vorab die Facebook App – und idealerweise auch den Facebook Messenger – auf deinem Smartphone.
- Ändere dein Facebook-Passwort, schreibe es irgendwo auf und vergiss es anschließend wieder. Das verhindert, dass du dich „ausversehen“ bei Facebook einloggst.
- Richte dir einen E-Mail-Filter ein, der dafür sorgt, dass E-Mails von Facebook automatisch gelöscht werden. Alternativ kannst du auch eine Filterregel definieren, welche E-Mails von Facebook automatisch als gelesen markiert und in einen Ordner deiner Wahl verschiebt.
- Berichte deinen Freunden von der Challenge, damit sie dir in Zukunft Informationen anderweitig zukommen lassen oder dich einfach anrufen.
- Lade Freunde zur Challenge ein, den Accountability-Partner erhöhen deine Erfolgschance.
Durchführung: Bei der Durchführung der Challenge kannst du dich für einen der folgenden Modi entscheiden:
- A) Verzicht auf Facebook + Facebook Messenger oder
- B) Verzicht auf Facebook aber weitere Nutzung des Facebook Messengers.
Idealerweise entscheidest du dich für Variante A, damit die Facebook-Versuchung möglichst gering bleibt. Wenn du dich für einen Modus entschieden hast, wähle eine der folgenden zwei Varianten:
- Leichte Variante: Du machst 10 Liegestützen, sobald du im Browser begonnen hast die Webadresse von Facebook einzugeben oder auf das Facebook Lesezeichen geklickt hast.
- Verschärfte Variante: Du machst immer dann 10 Liegestützen, wenn du an Facebook denkst.
Abschluss: Nach Abschluss der FitFa-Challenge freuen wir uns über dein Feedback. Schreibe uns eine E-Mail oder berichte uns in den Kommentaren über deine Erfahrung mit der Challenge. Welchen Modus mit welcher Variante hast du gewählt? Hat sich deine Facebook-Nutzung auch nachhaltig und positiv verändert?
Fazit
Für mich persönlich – und laut den Berichten der Teilnehmer auch für sie – war die FitFa-Challenge eine totale Bereicherung. Unsere Facebook-Nutzung hat sich seither nachhaltig verbessert, wenn doch meine persönliche Verweildauer in dem sozialen Netzwerk in den letzten Wochen wieder ganz langsam angestiegen ist.
Deshalb habe ich für mich persönlich beschlossen, dass ich hin und wieder kleine Mini-Abstinenzen einbauen werden. Beispielsweise plane ich, dass ich mal für eine kurze Dauer von 7 Tagen auf Facebook verzichte und dabei wieder fleißig Liegestützen nach einer der obig erwähnten Varianten mache. Denn Sport ist bekanntlich die schönste Nebensache der Welt 🙂
Elly says
Cool, du hast auch fermats letzter Satz gelesen (Leseliste)
Super Beiträge! Momentan suchte ich eure Seite mehr als Facebook (wo wir schonmal dabei sind :D) hab mir alles fleißig rausgeschrieben und möchte bis zu meinem Studium mein Leben n bisschen „ordnen“. Durch das polyphasische Schlafmuster bin ich auf den blog gestoßen, da mich das schon lange gereizt hat 🙂
Mach(t) weiter so!
Josef says
Hallo Elly,
ganz lieben Dank für deinen Kommentar und das positive Feedback 🙂 Konntest du schon ein paar unserer Strategien erfolgreich in deinen Alltag integrieren? Was hat am besten bzw. noch gar nicht funktioniert?
Viele Grüße, Josef