Was unterscheidet eigentlich erfolgreiche Menschen von weniger erfolgreichen?
Dazu gibt es wohl weit über hunderte, wenn nicht sogar tausende von Arbeiten, die versuchen eine Antwort auf diese Frage zu finden. Eine potentielle Antwort auf Basis von 15 Charakteristiken hat beispielsweise BrightSide zusammengestellt.
Das Problem: Die meisten dieser Ausführungen (so auch der verlinkte Artikel) sind „alte Schule“ und beschäftigen sich überwiegend mit Persönlichkeitsethik. 1 Das bedeutet, Erfolg wird im weitesten Sinne auf Techniken für soziale Beziehungen (z.B. zeige Dankbarkeit und gib Komplimente) und positives Denken (z.B. hoffe, das jeder deiner Kollegen/Partner Erfolg hat) reduziert.
Das ist allerdings zu kurz gegriffen, wie Stephen Covey in 7 Habits of Highly Effective People attestiert. Denn durch diese „Quick-Hacks“, die man sich von anderen abschaut, wird nicht der Kern des Problems adressiert, sondern es werden lediglich kurzlebige Lösungen oder Brandlöscher angeboten.
Um wirklich nachhaltig erfolgreich zu sein, sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich, gibt es nur einen gangbaren Weg: Gewohnheiten. Denn erfolgreiche Menschen formen Gewohnheiten um ihre Ziele schneller, mit weniger Zeitaufwand und vor allem auch leichter zu erreichen.
We are what we repeatedly do. Excellence, then, is not an act, but a habit.
– Aristoteles, Philosoph
Es scheint, wie wenn Gewohnheiten eine Art Zauberformel darstellen. Doch was sind eigentlich Gewohnheiten?
Was ist eine Gewohnheit und was nutzt sie?
Als Gewohnheit kann man das stete Wiederholen von selbstverständlich gewordenen Handlungen bezeichnen.
Ein Beispiel dafür ist die abendliche Routine vor dem zu Bett gehen:
- Zuerst gehe ich ins Bad,
- dort benutze ich jeden Abend meine Zahnseide,
- lege Zahnpasta auf meine Zahnbürste,
- putze mir die Zähne und
- wasche mein Gesicht.
Im Vergleich zu „normalen“ Tätigkeiten haben Gewohnheiten drei typische Eigenschaften: 2
- Gewohnheiten werden automatisch, zum Teil ohne das wir darüber nachdenken („minimal bewusst“), ausgeführt. Unser Körper, als auch unser Geist, braucht deshalb weniger Energie und unsere Fähigkeit gute Entscheidungen zu treffen ermüdet weniger („decision fatigue“).
- Gewohnheiten lösen nur wenig oder keine emotionalen Empfindungen aus. War früher beispielsweise das Benutzen der Zahnseide anstrengend, so geschieht es jetzt völlig automatisch ohne ein Gefühl von Anstrengung.
- Gewohnheiten sind streng mit der Situation verbunden in der sie auftreten. Sowohl Orte als auch Menschen mit denen wir viel Zeit verbringen können Gewohnheiten maßgeblich beeinflussen.
Laut einer Studie der Texas A&M University und der Michigan State University werden mindestens 50 Prozent aller Aktionen die wir tagtäglich durchführen nicht durch aktive Entscheidungen, sondern durch Gewohnheiten (das heißt ohne bewusst darüber nachzudenken) verursacht. 3
All our life, so far as it has definite form, is but a mass of habits.
– William James, Psychologe und Philosoph
Die Gewohnheitsschleife
Anfang der 90er Jahre haben Forscher am MIT damit begonnen, Gewohnheiten von Ratten mithilfe von Gehirnsensorik zu messen. In verschiedenen Versuchsreihen, die Charles Duhigg in seinem Bestseller Buch The Power of Habit beschreibt, hat man die sogenannte Gewohnheitsschleife (Habit Loop) identifiziert:
Demnach besteht jede unserer Gewohnheit, egal wie einfach oder kompliziert diese ist, aus einem Auslöser, einer Routine und einer Belohnung.
Ein kurzes Beispiel: Meine typische Gewohnheitsschleife für das abendliche Zähneputzen sieht wie folgt aus:
- Auslöser: Kurz bevor ich zu Bett gehe (bestimmter Zeitpunkt).
- Routine: Ich gehe ins Badezimmer, greife die Zahnbürste, trage Zahnpasta auf und putze jede der vier Mundregionen für 30 Sekunden.
- Belohnung: Am Ende werde ich mit einem frischen Gefühl im Mund belohnt, was ich mit schönen und gesunden Zähnen verbinde.
Die große Erkenntnis aus dem Ratten-Experiment am MIT: Je öfter die Ratten eine bestimmte Aufgabe durchführten, desto geringer wurden die gemessenen Gehirnaktivitäten. Das bedeutet, umso mehr eine Aufgabe zur Gewohnheit wird, desto weniger muss man über die Aufgabe nachdenken und umso weniger Energie verbraucht unser Gehirn dafür.
Wenn man bedenkt, dass unser Gehirn nur etwa 2 % unserer Körpermaße ausmacht, jedoch knapp 20 % der Energie benötigt, wird schnell klar, dass man hier einiges einsparen kann. Das ist letztlich der entscheidende Grund, warum unser Gehirn Gewohnheiten formt: um den Energiebedarf langfristig zu reduzieren.
Dieser “Energiesparmodus” bringt einen weiteren Vorteil: Denn umso effizienter unser Gehirn arbeitet, umso weniger Platz benötigt es. Dadurch bleibt unser Kopf klein, was Geburten einfacher macht und weniger Komplikationen bei der Entbindung verursacht. 4
Die vierte Komponente von Gewohnheiten: Das Verlangen
Zusätzlich zu den genannten drei Elementen der Gewohnheitsschleife kommt noch eine vierte und essentielle Komponente hinzu: Das Verlangen.
Das Verlangen ist der Bestandteil, der die Gewohnheitsschleife erst funktionieren lässt, sozusagen der Motor dieses Perpetuum Mobile. Fehlt dieses Element, dann sind Auslöser und Belohnung innerhalb der Gewohnheitsschleife wertlos.
Countless studies have shown that a cue and a reward, on their own, are not enough for a new habit to last. Only when your brain starts expecting the reward – craving the endorphins or sense of accomplishment – will it become automatic to lace up your jogging shoes each morning. The cue, in addition to triggering a routine, must also trigger a craving for the reward to come.
– Charles Duhigg, Journalist
Die Theorie dahinter ist faszinierend: In einem Experiment von Wolfram Schultz an der University of Cambridge wurde einem Affen namens Julio eine Gewohnheit beigebracht:
Immer wenn er auf einem Monitor eine farbige Figur (= Auslöser) sah, konnte er an einem Hebel ziehen (= Routine) und erhielt einen Schluck Brombeersaft (= Belohnung). Bei der Beobachtung seiner Gehirnaktivitäten wurde festgestellt, dass diese immer dann stark ausschlugen, wenn Julio die Belohnung erhielt (Julio spürte sozusagen Freude).
Mit der Zeit – durch Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung – dann die Überraschung: Der Zeitpunkt des „Ausschlags“ verlagerte sich nach vorne. Nachdem die Routine zur Gewohnheit wurde, schlugen die Gehirnaktivitäten des Affen bereits dann aus, wenn er eine farbige Figur auf dem Monitor sah. Die Formen auf dem Monitor waren demnach nicht mehr nur Auslöser für die Routine „Hebel ziehen“, sondern gleichzeitig auch Auslöser für einen Glücksausschlag im Gehirn des Affen. Julio erwartete die Belohnung, sobald eine Form auf dem Bildschirm erschien.
Auf unser obiges Beispiel mit dem Zähneputzen angewandt bedeutet das folgendes: Wir haben mit der Zeit das Verlangen nach einem „prickelnden“ oder „frischen“ Gefühl im Mund entwickelt, das uns nach dem Zähneputzen ein Gefühl von Sauberkeit gibt. Obwohl dieses „prickeln“ (oder auch ein besonderer Minz-Geschmack) keinerlei Auswirkung darauf hat, ob unsere Zähne sauberer werden, hat es dabei geholfen, bei uns allen die Gewohnheit des Zähneputzens zu etablieren.
The tingling doesn’t make the toothpaste work any better. It just convinces people it’s doing the job.
– Tracy Sinclair, Brand Manager bei Oral-B
Wie du Gewohnheiten lernst oder änderst
Nachdem wir uns nun das theoretische Grundgerüst erarbeitet haben, stellt sich nun die spannende Frage, wie man neue Gewohnheiten lernt oder sich schlechte Gewohnheiten abtrainiert?
Neue Gewohnheiten lernen
Sich neue Gewohnheiten anzutrainieren, ist die leichtere der beiden Aufgaben. Obwohl „leicht“ hier relativ gesehen werden muss. Denn das Antrainieren von neuen Gewohnheiten erfordert zum einen Disziplin und zum anderen vor allem Durchhaltevermögen.
Laut einer Studie des University College London dauert es im Schnitt 66 Tage sich eine neue Gewohnheit anzutrainieren. Hierbei muss aber zwingend zwischen der Komplexität der Aufgabe unterschieden werden: Die Forscher haben herausgefunden, dass es beispielsweise maximal 20 Tage dauert sich die Gewohnheit „Trinke ein Glas Wasser nach dem Frühstück“ anzueignen. Im Vergleich dazu schaffte es ein Teilnehmer auch nach 84 Tagen (Laufzeit der Studie) nicht, die Gewohnheit „50 Sit-ups nach dem morgendlichen Kaffee“ zu etablieren. 5
Nehmen wir ein praktisches Beispiel: Du hast dir vorgenommen, so wie ich vor wenigen Wochen, drei Mal in der Woche ins Fitnessstudio zu gehen.
Um daraus eine Gewohnheit zu formen, folgen wir dem Framework der Gewohnheitsschleife und versuchen ein Verlangen zu erzeugen: 6
- Auslöser: Du fährst direkt nach der Vorlesung (deine Sportkleidung hast du schon dabei) ins Fitnessstudio, ohne Zuhause erst anhalten zu müssen (zeitlicher Auslöser).
- Routine: Du trainierst nach einem festen Trainingsplan (den dir beispielsweise das Fitnessstudio zur Verfügung gestellt hat).
- Belohnung: Am Ende des Trainings belohnst du dich mit einem Eiweißshake.
- Verlangen: Das ist bei weitem wohl der schwierigste Teil. Versuche hierbei herauszufinden, was dich antreibt und wonach du ein Verlangen entwickeln kannst. Bei mir sind das beispielsweise zwei Dinge:
- Ich freue mich in der Regel schon vor dem Training auf meinen Schoko-Eiweißshake mit Milch und zwei Bananen (geniale Geschmacksexplosion vor allem dann, wenn man sonst nur sehr wenig Süßigkeiten isst).
- Manchmal bin ich direkt gierig nach dem Endorphin-Schub, den ich nach dem Training verspüre.
Um dein Verlangen anzuheizen, kannst du dich der Theorie von Elefant und Reiter bedienen. Wenn du es schaffst, deinen inneren Elefanten zu überzeugen, hast du das Spiel schon fast gewonnen.
Alte Gewohnheiten ändern
Alte Gewohnheiten zu ändern ist im Vergleich zur Etablierung neuer Gewohnheiten noch einen Schritt schwieriger.
Hierbei ist wichtig zu wissen, dass man Gewohnheiten nicht ausradieren oder löschen kann. Der einzige Weg, eine schlechte Gewohnheit zu ändern, ist die Gewohnheit mit einer neuen Gewohnheit zu ersetzen.
We know that a habit cannot be eradicated – it must, instead, be replaced.
– Charles Duhigg, Journalist
Die goldene Regel hierbei: Den Auslöser und die Belohnung innerhalb der Gewohnheitsschleife gleich lassen und nur die Routine ändern.
So einfach diese Regel klingt, desto komplizierter wird die Umsetzung in der Praxis. Deshalb kannst du dir folgendes 4-Schritte Framework zunutze machen um die Gewohnheitsschleife einer speziellen Gewohnheit zu identifizieren und anschließend zu ändern. 7
Als Beispiel nehmen wir die schlechte Gewohnheit, dass du dir jeden Tag auf der Arbeit einen Cookie in der Cafeteria kaufst und du deshalb zugenommen hast (was ich jetzt nicht hoffe 😉 ).
1. Identifiziere die Routine
Was ist die Routine deiner schlechten Gewohnheit die du ändern möchtest? (Du gehst jeden Tag in die Cafeteria und kaufst dir einen Cookie)
2. Experimentiere mit verschiedenen Belohnungen
Wie oben bereits geschrieben, ist das Verlangen der Antreiber der Gewohnheitsschleife. Um dieses Verlangen zu identifizieren, kannst du mit verschiedenen Belohnungen experimentieren. Hierbei solltest du dich selbst nicht unter Druck setzen, denn unter Umständen kann es mehrere Tage oder sogar Wochen dauern, bist du diesen entscheidenden Faktor gefunden hast.
Du kannst beispielsweise folgenden Belohnungen ausprobieren:
- Kauf dir statt des Cookies einen Apfel (ist es das Verlangen nach Essen bzw. Zucker?)
- Mache einen kleinen Spaziergang anstatt in die Cafeteria zu gehen (ist es das Verlangen nach Bewegung oder einfach nur Ablenkung?)
- Gehe zu einem Schreibtisch deines Kollegen um für ein paar Minuten zu quatschen (ist es das Verlangen nach sozialen Kontakten?)
3. Isoliere den Auslöser
Um den Auslöser für die Gewohnheit zu isolieren, haben Wissenschaftler etwas Spannendes herausgefunden: Der Auslöser einer Gewohnheit kann in eine der folgenden fünf Kategorien eingeordnet werden:
- Ort (Wo bist du gerade?)
- Zeit (Welche Uhrzeit?)
- Emotionaler Zustand (Wie fühlst du dich gerade?)
- Andere Personen (Welche Personen sind gerade um dich?)
- Vorherige Aufgabe (Was hast du gerade gemacht, bevor das Verlangen kam?)
Notiere dir über mehrere Tage hinweg die Antworten auf die obigen fünf Fragen, wenn dich dein Verlangen (z.B. nach dem Cookie in der Cafeteria) heimsucht.
4. Mache dir einen Plan
Nachdem du alle Elemente der Gewohnheitsschleife inklusive deinem Verlangen entdeckt hast, ist es an der Zeit dir einen Plan zu machen, um die schlechte Gewohnheit zu ändern.
Nehmen wir an, du hast folgendes herausgefunden: Du bist jeden Tag zur selben Uhrzeit (Auslöser = Zeit) zur Cafeteria gegangen und hast dir einen Cookie gekauft (Routine) um mit anderen Leuten zu reden und dich abzulenken (Belohnung = Sozialer Kontakt, Ablenkung).
Jetzt kannst du sowohl den Auslöser (Uhrzeit) als auch die Belohnung (Sozialer Kontakt und Ablenkung) unverändert lassen und nur die Routine ändern. Anstatt jeden Tag in die Cafeteria zu gehen und dir einen Cookie zu kaufen, könntest du zum Schreibtisch eines Kollegen gehen und mit ihm für 10 Minuten quatschen.
Der Glaube an dich selbst
Egal ob du eine schlechte Gewohnheit ändern möchtest oder eine neue lernen, eines ist dabei von zentraler Bedeutung: Du musst daran glauben, dass du etwas ändern kannst. Du musst an dich selbst glauben!
Fehlt diese innere Zuversicht, wird es dir schwer fallen auch in schweren Zeiten deine neue Gewohnheit beizubehalten. Denn mit Gewohnheiten ist es so eine Sache: Diese sind unglaublich empfindlich. Die kleinste Erschütterung oder Änderung der Umstände kann eine Gewohnheit bereits außer Kraft setzen.
Habits are powerful, but delicate.
– Charles Duhigg, Journalist
Fazit
Gewohnheiten bilden die Basis für vieles was wir täglich tun. Mit den richtigen Gewohnheiten fällt es uns leichter, sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich erfolgreicher zu sein.
Was Erfolg in diesem Zusammenhang für dich bedeutet, sollst und musst du für dich selbst entscheiden. Denn jeder hat eine andere Vorstellung davon, wie für ihn Erfolg in den unterschiedlichsten Lebensbereichen definiert ist (aber das ist ein anderes Thema 😉 ).
Fakt ist jedoch, dass wir jede Gewohnheit (ob alt oder neu) mit Disziplin, Willenskraft und vor allem dem Glauben an uns selbst ändern können. Wir müssen nichts als Gegeben hinnehmen, denn die Welt wie wir sie sehen, ist das Ergebnis unserer eigenen Gedanken und Erfahrungen.
[…] Klimmzug-Fortschritt deutlich. Zudem kannst du sie nach dem Programm recht einfach zur lebenslangen Gewohnheit machen. Wichtig: Zwischen Morgen- und Trainingsroutine sollten laut APP mindestens 3-4 Stunden […]