Im Frühjahr 2016 setzte ich mir in den Kopf einen Marathonlauf zu absolvieren; dabei sollte mich die sogenannte Galloway-Methode nach nur 10 Wochen Training „marathonreif“ machen.
Ein gewagtes Vorhaben, wenn man bedenkt, dass ich seit mehr als 6 Monaten nicht mehr in den Laufschuhen gesteckt hatte.
Mein Experiment – Achtung Spoiler – habe ich am 9. Oktober 2016 im schönen Budapest in Ungarn erfolgreich beendet. Dennoch habe ich lange gehadert, ob und wie ich diesen Artikel wirklich verfassen soll.
Braucht die Welt einen weiteren Marathon-Erfahrungsbericht? Vermutlich nicht.
Und warum solltest du meinen Artikel lesen; es gibt doch viel erfahrenere Läufer, die vermutlich bessere Tipps auf Lager haben?
Doch einige Monate nach meinem Marathon kam ich zu folgenden Schlüssen:
- Hochleistungssportler sind meist Menschen, die wirklich für das Laufen brennen und daher eine „rosarote Brille“ tragen. Sie überladen ihren Rat auch gerne mit unnötigem Fachwissen, was Anfänger oft überfordert. Professionelle Läufer vergessen zudem oft, wie es sich wirklich anfühlt, ein Anfänger im eigenen Spezialgebiet zu sein. Dadurch verlieren sie in gewisser Weise die Fähigkeit zur Empathie und können sich schlechter in den „Lehrling“ einfühlen.
- Coaches hingegen haben nur ein Ziel: dich zum Marathon zu bringen. Die Null-Alternative (erst gar keinen Marathon zu laufen) wird dabei zum Beispiel oft komplett außer Acht gelassen. Der Coach mag vielleicht mehr Domänenwissen und bessere Ratschläge parat haben; ein wirklich objektiver und für dich optimaler Rat bleibt aber auch hier oft aus.
- Außerdem gab es natürlich auch noch keinen Artikel im „Ubermind-Format“ da draußen; einen, bei dem das Experiment und die daraus geschlossenen Lektionen im Mittelpunkt stehen und nicht etwa irgendwelche verborgenen Motive. Ein emotionsgeladener Erfahrungsbericht kann dir daher vielleicht sogar einen besseren Einblick in den Marathonlauf bieten als ein betriebsblinder Expertenrat.
In diesem Artikel in Uberlänge beschreibe ich daher meine konkrete Strategie, mit der ich es als relativ unerfahrener Läufer nach nur 10 Wochen relativ moderatem Training über die Ziellinie meines Marathons schaffte. Dabei gehe ich im Besonderen auf die Galloway-Methode ein, ohne die ich vermutlich (kläglich) gescheitert wäre.
Eine kleine Risikoanalyse für mein Marathon-Experiment
Die drei größten Gefahren, die ich für diesen Selbstversuch sah, waren:
- Trägheit: Potentielle Motivationsprobleme beim Befolgen des Trainingsplans, „Ausreden“ und ein kompletter Rückzieher vom Experiment
- Blindheit: Ein nicht ausreichend durchdachter Selbstversuch und das Begehen klassischer Fehler von Marathon-Grünschnäbeln wie mir
- Gesundheit: Nicht ausreichende, körperliche Verfassung, erneut Knieprobleme (Patellaspitzensyndrom), zu wenig Ausdauer, falsche Lauftechnik
Um meine Chancen zu optimieren, wandte ich daher drei Strategien an. Gegen die Gefahr der Trägheit wappnete ich mich mit einer „Lock-In“ Strategie: um meine Motivation zu steigern und mir die Möglichkeit eines Rückziehers zu erschweren, kaufte ich mir kurzerhand ein Flugticket nach Ungarn und ein Ticket für den Budapester Marathon 2016. 1 Zudem verkündete ich mein Vorhaben im engen Freundes- und Bekanntenkreis. Diese monetäre und soziale „Rechenschaftspflicht“ sollte mir helfen, mich an meinen Trainingsplan zu halten.
Bei Gefahr 2 machte ich aus den klassischen Fehlern von Anfängern vor allem drei ausfindig: ein zu kurzer Trainingszeitraum (schuldig!), zu wenig ausreichend lange Trainingsläufe (über 2,5 Stunden) und das zu schnelle Anlaufen beim Wettkampf. Bezüglich letzterem: ohne Laufstrategie verpulvern viele Anfänger ihre Energie (genauer: ihre Glykogendepots) in den ersten 5km und können dann ihren Marathon nicht beenden. Daher war meine Strategie alle langen Trainingsläufe im Trainingsplan einzuhalten und darüber hinaus alle Trainingsläufe und auch den Marathon zu sogenannten Crescendoläufen zu machen. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass ich sehr, sehr moderat anlaufe und mich dann – etappenweise, je nach Gefühl und erst nach einigen Kilometern – immer weiter bis zum angestrebten Lauftempo steigere.
Bezüglich des gesundheitlichen Risikos ließ ich mich bei einem Orthopäden beraten. Doch das brachte mir lediglich die Gewissheit, dass ich potentiell in der Lage wäre, einen Marathon zu absolvieren. Letztlich würde sich meine körperliche Verfassung aber erst während des Trainings offenbaren. Daher suchte ich nach einer anderen Lösung und wurde bei der sogenannten Galloway-Methode fündig. Diese spezielle Laufmethode wird sowohl beim Training als auch beim eigentlichen Wettkampf eingesetzt. Sie besteht aus einem 30-wöchigen Programm und soll angeblich jedem Läufer – unabhängig von der Ausgangslage – „schonend“ zum ersten Marathon verhelfen.
Ich wollte den enormen Zeitaufwandes einer Marathonvorbereitung jedoch auf maximal 10 Wochen beschränken. Daher ergab sich eine vierte Gefahr für mein Experiment. Eine, die ich ursprünglich übersehen und vergessen hatte einzukalkulieren: Verrücktheit.
Der Marathon nach der Galloway-Methode
Ein Marathonlauf stellt eine enorme Belastung für untrainierte Läufer dar. Erfolgreiche Athleten bestreiten daher auch selten mehr als zwei Marathonläufe pro Jahr, da die vollständige physische und psychische Regeneration von einem Wettkampf bis zu zwei Monate dauern kann. Ohne vorheriges Training wäre der durchschnittlich untrainierte Bundesbürger also vermutlich überhaupt nicht in der Lage, die Distanz zu bewältigen (vielleicht wenn sein Leben davon abhängt, jedoch gibt es selbst dann physiologische Grenzen, die sich nicht überwinden lassen).
1) Die „Grundanforderungen“ für einen Marathon
Ein Marathonlauf hat eine fest definierte Distanz von 42.195 Metern. Generelle Faustregeln besagen, dass vor dem erstmaligen Antritt eines solchen Laufs Wettkampferfahrungen über Distanzen von 25–30km empfehlenswert sind. Zudem wird vor einem ersten Marathon im Allgemeinen zu mindestens ein bis zwei Jahren Lauferfahrung in Form von regelmäßigem Training geraten.
Das erforderliche Trainingspensum für einen erfolgreichen Marathonlauf hängt aber natürlich stark von der Ausgangskondition eines Läufers ab. Da diese Ausgangskondition vermutlich für keine zwei Menschen dieselbe ist, ist es wichtig, zunächst klarzustellen, was ich meine, wenn ich sage, dass ich vor meinem Marathon ein Laufanfänger war. Vergleiche deine Laufhistorie daher mit meinen Angaben, um besser einschätzen zu können, inwiefern meine Erfahrungen auch auf dich zutreffen werden.
Meine Laufhistorie vor meinem Marathontraining*:
2015: 16 Läufe | 123km | 12h -> zweiter Halbmarathon
2014: 37 Läufe | 224km | 27h
2013: 65 Läufe | 610km | 63h -> erster Halbmarathon
_______________________________________
Summe: 118 Läufe | 957 Kilometer | 102h reine Laufzeit
Falls du bisher keine deiner Läufe protokolliert hast, schau dir stattdessen folgende Aufschlüsselung an.
Distanzen getrackter Läufe vor meinem Marathontraining*:
0–5km: 19 Läufe
5–10km: 70 Läufe
10–15km: 18 Läufe
15–20km: 5 Läufe
über 20km: 5 Läufe
Dauer getrackter Läufe vor meinem Marathontraining*:
unter 30min: 11 Läufe
30–60min: 75 Läufe
60–90min: 19 Läufe
90–120min: 2 Läufe
über 120min: 1 Lauf
*Dies stellt schätzungsweise 80% meiner Lauferfahrung dar, da ich auch ohne Smartphone laufen war oder andere Tracking-Apps verwendet habe.
2) Der Trainingsplan: Wie viel Aufwand ist eigentlich notwendig?
Ein typischer Trainingsplan für einen Anfänger geht davon aus, dass der Läufer in seiner aktuellen Verfassung 10km in 60 Minuten laufen kann. Ein solcher Plan zieht sich in der Regel über knapp 3 Monate und enthält pro Woche 4 Laufeinheiten und ein 45–50km Laufpensum.
Zielzeit | Voraussetzung auf 10km | Einheiten pro Woche | Laufpensum pro Woche |
---|---|---|---|
5h40min | in 70 min | 4 Läufe | 45 km |
5h15min | in 65 min | 4 Läufe | 45 km |
4h45min | in 61 min | 4 Läufe | 45 km |
4h20min | in 56 min | 4 Läufe | 52 km |
3h59min | in 52 min | 4 Läufe | 55 km |
3h45min | in 48 min | 4 Läufe | 63 km |
Ich wollte mich bei meinem Experiment nach der markierten Zeile richten und den im Buch enthaltenen Trainingsplan für eine Zielzeit von 4 Stunden und 45 Minuten befolgen. Wie du siehst sind bessere Zeiten mit deutlich mehr Zeitmehraufwand verbunden.
Trainingspläne richten sich entweder nach deinem Lauftempo oder deinem Puls. Falls du nicht bereits damit vertraut bist, lasse das „Laufen nach Puls“ weg. Lerne stattdessen, auf deinen Körper zu hören und konzentriere dich auf ein paar einfache Regeln, wie das Einhalten einer konstanten Geschwindigkeit. Jede zusätzliche Komplexität, die du in das Experiment einführst, gefährdet nämlich letztlich dein Ergebnis.
Zum Glück konnte ich mit Matthias, einem der Ubermind-Gründer, auf einen mehrmaligen Marathonläufer meiner Altersklasse und dessen Rat zurückgreifen. Matthias war bereits 16 Marathons gelaufen, einen auf jedem Kontinent; inklusive der Antarktis! Leider hat er sich von Ubermind getrennt, bevor er dazu einen epischen Artikel verfassen konnte, jedoch stand er mir bei meinem Experiment mit Tat und Rat zur Seite. Im Speziellen schlug er mir auf Basis meiner fehlenden Erfahrung vor, mich an der „Galloway-Methode“ auszuprobieren, von der er gehört hatte.
3) Die Galloway-Methode: Mit „Run-Walk-Run“ zum Ziel
Die Galloway-Methode wurde nach ihrem Erfinder Jeff Galloway benannt. Laut eigener Angaben hat er mit seinen Methoden und Coachings über 350.000 Menschen weltweit geholfen ihre Laufziele zu verwirklichen. Seine brilliante Laufmethode, die eigentlich Run-Walk-Run heißt, besteht genau daraus: der permanenten Abwechslung von Lauf- und Geheinheiten; das heißt alle paar Minuten wird eine Gehpause eingeschoben.
Die Idee dahinter ist, mit den Gehpausen die Erholung ankurbeln und vor frühzeitiger Ermüdung, Erschöpfung und Muskelschmerzen zu bewahren. Dabei soll das Ganze laut Galloway sogar mehr Spaß bringen, da während der Geheinheiten Glückshormone (genauer: Endorphine) ausgeschüttet werden.
Die Galloway-Methode ist aber nicht nur schonender und gesünder als ein normales Marathontraining; es macht die meisten Läufer absolut gesehen sogar schneller! Während normale Läufer nämlich gegen Ende immer langsamer werden, kann die Geschwindigkeit bei der Galloway-Methode im Regelfall konstant eingehalten oder gegen Ende sogar noch erhöht werden.
Nach der Auswertung von über 300.000 Anwendern über 40 Jahre hat Galloway sogar eine Formel generiert um das genaue Verhältnis zwischen Lauf- und Geheinheiten zu ermitteln. Ich habe seinen Rechner jedoch nicht verwendet, sondern eine vereinfachte Form der Galloway-Methode angewandt.
Moment mal! Ist das nicht Schummeln?
Vielleicht hast du im vorherigen Abschnitt kurz gestutzt, denn das alles klingt für die meisten zunächst nach „Schummeln“. Es steht jedoch nirgends geschrieben, dass Gehpausen bei einem Marathon nicht erlaubt sind!
Wenn das Laufen dir wirklich Erfüllung bringt, du wirklich auf die Herausforderung mit der Zeit suchst und du bei deinem Marathon-Debüt kein „Geher-Läufer-Geher“ sein möchtest, dann solltest du die Galloway-Methode nicht verwenden. Ich hingegen finde das alles andere als schlimm. Wie bereits erwähnt sind 42 Kilometer eine hohe Belastung; unsere Körper sind (zumindest heutzutage) nicht (mehr) darauf ausgelegt. Warum also nicht eine möglichst schonende Strategie anwenden, die mehr Freude bringt und die Chancen auf Erfolg deutlich erhöhen kann?
Zudem solltest du, bevor du die Galloway-Methode verurteilst, eine kleine Rechnung anstellen. In meinem Experiment habe ich durch mein Protokoll lediglich 18 Minuten im „Gehmodus“ verbracht. Es passiert jedoch nicht selten, dass Marathonanfänger die letzten Kilometer ins Ziel gehen müssen, weil sie einfach nicht mehr laufen können. Das entspricht dann meist sogar mehr als 18 Minuten reiner Gehzeit.
Falls du immer noch nicht überzeugt bist: es gibt diesbezüglich anscheinend nur zwei Arten von Personen. Diejenigen, die wenige Stunden nach dem Wettkampf erneut vom Ehrgeiz gepackt werden und Pläne für den nächsten Lauf schmieden; „wahre“ Läufer, die intrinsisch motiviert sind; Menschen, denen das Laufen selbst Freude bringt; Personen, die jedes mal das Läuferhoch erreichen. Jemand wie Matthias der mit seinen 26 Jahren bereits 16 Marathons gelaufen ist und bereits nach größeren Herausforderungen sucht.
Doch es gibt eben auch jene Menschen (vermutlich der Großteil), die nach dem Wettkampf zum gleichen Schluss kommen wie ich: dass sie wohl nie wieder einen Marathon laufen werden! Diese Menschen – und hier schließe ich mich voll mit ein – meinen, sie müssen sich selbst oder anderen etwas beweisen, wenn sie ihren ersten Marathon angehen. Sie wollen lediglich eine Herausforderung meistern, auch wenn ihnen das „Laufen“ an sich nicht gefällt. Deine Meinung zur Galloway-Methode wird überspitzt gesagt davon abhängen, in welche dieser Kategorien du fällst.
Deine Meinung zur Galloway-Methode wird überspitzt gesagt davon abhängen, in welche dieser Kategorien du fällst.
Ein weiterer Pluspunkt für die Galloway-Methode
Die psychologische Komponente beim Marathon darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Matthias verriet mir: „Einen Marathon bezwingt man mit dem Kopf“. Die körpereigenen Ressourcen sind zwar endlich und es gibt definitiv einen Punkt, an dem dein Körper komplett versagt und du wirklich nicht mehr kannst. Doch dieser Zustand hat absolut gar nichts mit den Schmerzen und Anstrengungen zu tun, die du vielleicht bereits ab der 20-Kilometermarke verspürst.
Wenn dein Körper dir das erste Mal sagt „es geht nicht mehr“, ist nämlich im Regelfall noch lange nicht Schluss! Der Marathonläufer muss hier also lernen abzuwägen, zwischen ernsthaften und „normalen“ Anzeichen einer Überlastung. Die strategischen Geheinheiten der Galloway-Methode liefern dir diesbezüglich nicht nur die nötige Erholung, sondern auch mehr mentale Klarheit und Kontrolle über deine Einstellung. Galloway schont deine Willenskraft, wenn du so willst. Mit der Galloway-Methode lassen sich freilich keine physikalischen Gesetze durchbrechen. Doch einen Marathon bezwingt man letztlich mit dem Kopf bzw. dem Mind, dem Ubermind.
Das Experiment: Mit der Galloway-Methode in 10 Wochen zum Marathon. Möglich oder nicht?
Zielformulierung des Experiments
Jeff Galloway behauptet, dass es seine Methode angeblich (fast) jedem Menschen, unabhängig von dessen sportlicher Ausgangslage, ermöglicht, in 30 Wochen fit für einen Marathon zu werden und dass man dabei sogar 5% schneller wird. Diese These wollte ich mit meinem Ubermind Experiment unter die Lupe nehmen.
Die primäre Erfolgsbedingung für mein Experiment hatte ich jedoch – unabhängig von der Galloway-Methode – wie folgt definiert: Erreiche die Ziellinie beim Budapest Marathon 2016. Eine sekundäre Erfolgsbedingung war die ausschließliche Nutzung der Galloway-Methode bei allen Trainingseinheiten und im Marathon.
Die Anzahl der Trainingstage und die Zielzeit beim Marathon hingegen waren für mich weniger wichtig und nicht maßgebend für den Erfolg des Experiments. Dennoch wollte ich sie festhalten, um besser Rückschlüsse über den Beitrag der Galloway-Methode zu meinem Erfolg (oder Misserfolg) ziehen zu können.
Tailoring – Persönliche Anpassung des Experiments
Da die wenigsten von uns die Freiheit haben, Selbstversuche in Vollzeit durchzuführen, müssen Experimente meist gezielt auf die eigenen Umstände zugeschnitten werden. Vor allem aus zeitlichen und/oder koordinativen Gründen wird dies bei den meisten notwendig sein. Diese Anpassungen, hier auf Ubermind auch Tailoring genannt, helfen uns, die Komplexität von Experimenten zu reduzieren und unerwünschten Mehraufwand zu umgehen, welcher es erschwert, das Training in den normalen Alltag zu integrieren.
Folgende zwei größere Anpassungen habe ich daher für mein Experiment vorgenommen:
- Anstatt Galloway’s sehr langatmigem 30-Wochen Plan zu folgen, wollte ich wie weiter oben bereits angesprochenen, einen typischen 10-Wochen Trainingsplan nutzen, der für eine Zielzeit von 4h45min ausgelegt ist.
- Anstatt die Magic Mile von Galloway auszurechnen, habe ich mich aus Gründen der Einfachheit nach Kilometern und meinem körperlichen Befinden gerichtet. Gemäß dem Prinzip Run-Walk-Run wollte ich daher alle Trainingseinheiten sowie den Marathon nach folgendem, vereinfachten Schema absolvieren: Alle drei Kilometer eine Gehpause von einer Minute einlegen.
Da der Aufbau meines Experimentes also letztlich ein Frankenstein war, zusammengeschustert aus einem typischem 10-Wochen-Trainingsplan – dem Crescendolauf – und der Kernidee der Galloway-Methode, kann ich eigentlich keine definitiven Rückschlüsse über jede einzelne dieser Methoden ziehen. Das war mir aber ehrlich gesagt auch nicht wichtig, denn ich wollte wie bereits erwähnt primär nur die Ziellinie erreichen; mit möglichst wenig Trainingsaufwand (10 Wochen) und ohne meinen Alltag zu stören, sowie möglichst schonend für meinen Körper!
Framing – Zusätzliche Bedingungen des Experiments
Um einem Experiment mehr Struktur zu geben sollte man zudem ein paar Regeln aufstellen. Diese Regeln oder Bedingungen dienen als Rahmenwerk (Framing), um später genauer beurteilen zu können, ob man sich an das Experiment gehalten hat und ob es letztlich erfolgreich war oder nicht.
Mein Rahmenwerk sah vor, dass ich…
- keine der langen Läufe im Trainingsplan auslassen würde (diese sind die wichtigsten Einheiten für die Ausdauer).
- die langen Trainings-Dauerläufe realitätsnah jeden Sonntagmorgen durchführen würde.
- nicht nach Trainingspuls trainieren, sondern mich nach der Pace im Trainingsplan richten würde.
- während Trainingsläufen nichts essen würde (Ausnahme: Power-Gels ab 12km und dann im 45min-Rhythmus).
Matthias warnte mich im Vorfeld, dass bei den vielen langen Trainingsläufen Geduld eine große Rolle spielt. Man müsse Spaß an langen Läufen finden, riet er. Er empfahl mir daher Hörbüchern und Musik für die langen Läufe. Da ich fast immer mit Musik laufe nahm ich mir vor über den zehnwöchigen Trainingszeitraum die motivierendsten Songs zu sammeln und in eine Marathon-Playlist aufzunehmen. Diese 2-stündige Liste wollte ich mir als zusätzliches Motivationselement für die zweite Hälfte des Marathons bereithalten.
Logbuch des Experimentes
Hier findest du mein genaues Trainingslogbuch und meine Tagebucheinträge aus Woche 1 und Woche 8, falls es dich genauer interessiert. Für alle anderen hier eine Zusammenfassung:
- Mein Trainingsplan sah je 4 wöchentliche Läufe über einen Zeitraum von 10 Wochen vor, das heißt insgesamt 39 Trainingseinheiten (Wettkampf = letzter langer Dauerlauf)
- Gemäß der Galloway-Methode bin ich nie länger als 3km am Stück gelaufen ohne eine Gehpause einzulegen.
- Ich besuchte im Trainingszeitraum ein 5-tägiges Musikfestival und begab mich auf ein 7-tägiges Backpacking-Abenteuer in Kroatien.
- In keiner Woche habe ich das im Trainingsplan vorgesehene wöchentliche Laufpensum erreicht.
- In der dritten Woche habe ich sogar gar nicht trainiert!
- Nach jedem der langen Läufe war ich mindestens 2 Tage sehr angeschlagen und musste daher hin und wieder das folgende Training ausfallen lassen.
- Ab der 4. Woche konnte ich die im Trainingsplan vorgesehene Pace bei den langen Dauerläufen meist nicht mehr einhalten.
- Meiner zusätzlichen Bedingung keinen der langen Läufe auszulassen bin ich in 9 der 10 Wochen nachgekommen.
- Der vorgegebenen Kilometeranzahlen der neun langen Trainingsläufe (20, 22, 10, 25, 10, 28, 21, 30, 20) konnte ich bis auf einen Fall (26,8 statt 28km) geradeso nachkommen.
- Aus den obigen Punkten ergab sich, dass ich letztlich nur 22 der 39 Trainingseinheiten und nur zwei Drittel(311km statt 467km) vom geplanten Laufpensum absolvierte.
Wie aus den obigen Angaben relativ schnell ersichtlich wird habe ich meinen ohnehin schon gewagten Plan nur zu etwa ⅔ befolgt. Ich würde zwar nicht behaupten, dass das bedeutet, ich hätte den Marathon auch mit nur 7 Wochen Training meistern können. Doch glaube ich, dass für meine Ausgangslage auch 10 Wochen mit je 3 Trainingstagen und ein gesamtes Laufpensum von 300km ausreichend gewesen wären. Dies ist allerdings nicht anzustreben, denn je weniger du trainierst, desto schlimmer letztlich wird das Befinden im Wettkampf ausfallen.
Adaption des Experiments und Konkretisierung der Laufstrategie
Angesichts meiner leicht unterdurchschnittlichen Ausgangslage und der Tatsache, dass ich nur ⅔ des vorgesehenen Trainingspensums absolviert hatte, wusste ich im Flugzeug nach Budapest wirklich nicht, wie weit ich es beim Marathon letztlich schaffen würde. Meine „Lock-In“ Strategie hatte funktioniert: die Motivation, vor vielen Menschen nicht als Versager dazustehen, war groß. Auch hatte ich mir mit meinen Crescendoläufen angeeignet, immer sehr langsam loszulaufen und fast erst in der Mitte der Trainingseinheiten das eigentliche Lauftempo zu erreichen. Das funktionierte bei mir erstaunlich gut.
Und auch die Galloway-Methode – das Herz meines Experimentes – hatte mich zumindest einmal mit Ach und Krach durch die 30km brechen lassen (wohlgemerkt hatte ich dafür 4 Stunden benötigt!)
Als ich daher im Flieger saß, konkretisierte ich auf Basis meiner Erfahrungen und meinem Fitness-Level einen realistischen Plan, eine Laufeinteilung, die ich beim Marathon verfolgen wollte. Diese grobe Rechnung war als Worst-Case Szenario ausgelegt, um definitiv in unter 5 Stunden die Ziellinie zu erreichen. Die Strecke habe ich dabei in 3 Phasen aufgeteilt:
Phase 1: Kilometer 0–15
- alle 3km eine Minute Gehpause (Galloway)
- Einlaufen: 4km mit Pace 8 => 32min
- Danach schneller werden (Crescendo):
- 6km mit Pace 7,5 => 45min
- 6km mit Pace 7 => 42min
- Phasenziel: 2h5min (125min = 32min + 45min + 42min + 6min Gehpause)
Phase 2: Kilometer 16–31
- alle 3km eine Minute Gehpause (Galloway)
- erstes Power-Gel bei Kilometermarke 16
- Kilometer 16–26 mit Pace 7 => 70min
- zweites Power-Gel bei Kilometermarke 23
- ab Kilometermarke 25 Musik anmachen
- Kilometer 26–31 mit Pace 6,5 => 32min (Crescendo)
- drittes Power-Gel bei Kilometermarke 30
- Phasenziel: 1h48min (108min = 70min + 32min + 6min Gehpause)
- Gesamtzeit: 3h53min
Phase 3: Kilometer 32–42
- alle 2km eine Minute Gehpause oder je nach Gefühl (Galloway)*
- Kilometer 32–42 mit Pace 6 = 60min (Crescendo)
- viertes Power-Gel bei Kilometermarke 37
- Phasenziel: 1h6min (66min = 60 + 6 Gehpause)
- Gesamtzeit Marathon: 4h59min
*Die Adaption auf „Gehpause alle 2km“ war sinnvoll, da ich bei meinen langen Trainingsläufen erkannt hatte, dass ich spätestens ab Kilometer 25 keine 3km-Abschnitte mehr schaffte, sondern dann zu „Gehpause alle 2km“ ausweichen musste. Pi mal Daumen, den Adrenalinboost beim Marathon mit eingerechnet, kam ich zu dem Schluss, circa ab Kilometer 30 die Anzahl der Pausen erhöhen zu müssen.
Diese Laufstrategie war nicht nur dazu da, eine Zielzeit von unter 5 Stunden sicherzustellen. Vielmehr war das Ganze ein motivationspsychologischer Schachzug. Ich wollte dem Marathon ein mentales Konstrukt geben, an welchen ich mich während dem Wettkampf entlanghangeln konnte. Vor allem, um das Ganze besser zu überblicken, denn es ist auf so einer langen Strecke extrem schwer einzuschätzen, wie viel Reserven man noch hat. Es ist daher sinnvoll sich zusätzlich zum körperlichen Befinden an Zahlen orientieren, die auf Basis der eigenen Trainingsleistung generiert wurden.
Der Tag der Wahrheit: der Marathon beginnt
Nach ein paar Tagen Sightseeing in Budapest war er dann letztlich da. Der Tag des Marathons. Im nebenstehenden Bild siehst du wie ich schön sorgfältig alles vorbereitet und im Hostelzimmer ausgelegt hatte: Läufershirt, Läufersocken, Smartphone-Halterung, Power-Gels, Traubenzucken für Notfälle, Schwam, Streckenplan. Eine ausführliche Beschreibung wie mein Wettkampf verlief findest du im Logbuch zum Experiment. An dieser Stelle nur eine Zusammenfassung:
- Phase 1
- lief größtenteils nach Plan.
- Gedanken: Macht Spaß!
- lief größtenteils nach Plan.
- Phase 2
- 16km: Schmerzen im rechten Bein, die immer stärker werden. Für kurze Zeit kann ich gar nicht mehr laufen und muss gehen.
- Gedanken: Tolle Idee, das mit dem geringen Trainingspensum...
- 25km: Mit Schmerzen abgefunden. Ausdauer beginnt zu schwächeln.
- Gedanken: Klassisches Phänomen und völlig normal. Trotzdem kacke.
- 30km: Mentale Herausforderung. Mein Körper hasst mich.
- Gedanken: Einen Fuß vor den anderen setzen; Schmerzen ignorieren!
- 16km: Schmerzen im rechten Bein, die immer stärker werden. Für kurze Zeit kann ich gar nicht mehr laufen und muss gehen.
- Phase 3
- 38km: Alles schlecht, was schlecht sein kann.
- Gedanken: N-U-R noch 4km!!!!!!!
- 41km: Es wird mir fast schwarz vor Augen.
- Gedanken: –
- 38km: Alles schlecht, was schlecht sein kann.
Nach 4 Stunden 27 Minuten und 46 Sekunden überquerte ich schließlich die Ziellinie des Budapest Marathon 2016. Ganze 18 Minuten schneller als geplant! Gefühlt halb tot ließ ich mich ins Gras fallen. Bei jedem Versuch wieder aufzustehen bekam ich einen Krampf. Trotzdem grinste ich wie ein Honigkuchenpferd beim Anblick meiner Medallie.
Ich hatte es geschafft!
Die Retrospektive: 2 Lektionen, die ich gelernt habe
Der Grund für mein Experiment war einfach: ich wollte mir beweisen, dass ich einen Marathon laufen kann. Dieses Vorhaben war mir allerdings kein halbes Jahr Training wert und zudem wollte ich dadurch meinen Alltag nicht allzu sehr einzuschränken. Daher habe ich mein Training mit der Galloway-Methode auf einen typischen 10 Wochen Trainingsplan angepasst. Rückblickend lässt sich auf jeden Fall sagen, dass diese Strategie aufgegangen ist! Die Galloway-Methode funktioniert wirklich, macht mehr Spaß und kann sogar helfen, die eigene Marathonzeit zu verbessern (knapp 7% in meinem Fall).
Als durchschnittlich (un-)trainierter Mensch habe ich es in nur 10 Wochen geschafft, über 42km in unter 4,5 Stunden zu laufen; nach einem Training von gerade einmal 36 Stunden und 300km! Zugegeben, die letzten zwei Stunden beim Marathonlauf waren vermutlich die härtesten meines Lebens. Doch die sind nie ein Zuckerschlecken! Im Nachhinein betrachtet bin ich daher natürlich froh, dass jetzt eine Marathon-Medaille in meiner Vitrine glänzt. Auch hat mir das Experiment mit der Galloway-Methode zudem einen Städtetrip im wunderschönen Budapest ermöglicht.
Doch müsste ich mit einer Zeitmaschine in der Zeit zurückreisen, so würde ich mich nicht erneut zum Marathonlauf entscheiden und den Punkt „Laufe einen Marathon“ kurzerhand von meiner Impossible List streichen. Daher waren die für mich persönlich größten Learnings aus dem Experiment wieder zwei „Meta“-Erkenntnisse im klassischen Ubermind-Style:
Lektion 1: Die Früchte der Erholung zeigen sich erst auf lange Sicht
Ich konnte auf der Zielgeraden in Budapest mithilfe der Galloway-Methode einige Leute hinter mir lassen, die nicht zum ersten Mal antraten und unter Umständen deutlich mehr trainiert hatten. 2 Run-Walk-Run ist dabei kein Schummeln, sondern lediglich die strategische Anwendung eines Musters, welches an vielen Stellen im Leben auftritt. Anstatt langatmige Vorhaben als „Marathon“ und ohne Pausen anzugehen, ist es fast immer und überall sinnvoller eine Balance zwischen Phasen der Intensität und Erholung zu finden. Im Falle der Galloway-Methode heißt das eben nicht, nur wie Top-Athleten maximal 2–3 Marathons pro Jahr zu laufen (Makro-Ebene) und eine Balance zwischen Trainings- und Erholungstagen (Meso-Ebene) zu finden. Zudem werden eben auch Gehpausen in die Läufe selbst integriert (Mikro-Ebene).
Hier auf Ubermind habe ich dieses Prinzip aber auch bereits ausgiebig in Bezug auf das Studium und das Arbeitsleben behandelt. In diesen Bereichen, wo der Jahresurlaub die Makro-Ebene und das Wochenende die Meso-Ebene darstellt, sollte man genauso auf Tagesebene zwischen konzentrierten Arbeitseinheiten und erholsamen Pausen wechseln. Ähnlich wie die Galloway-Methode beim Laufen hilft hier die Pomodoro-Technik Wunder um den täglichen Mini-Burnout zu verhindern. Den meisten Menschen mag es unnötig und komisch vorkommen bereits nach 3 Kilometern eine Gehminute oder einer Stunde Arbeit eine Pause einzulegen. Doch das wird vielen auf lange Sicht zum Verhängnis; spätestens dann wenn der „Marathoner“ auf „die Mauer“ trifft und von den Strategen überholt wird.
Die Früchte der Erholung zeigen sich eben erst auf lange Sicht.
Lektion 2: Wir sollten unsere Zeit nicht mit extrinsisch motivierten Bemühungen verschwenden
Die Überquerung der Marathonziellinie ist definitiv ein wahnsinnig prägendes Erlebnis, das nur wenige Menschen in ihrem Leben machen. Doch das reine Überqueren der Ziellinie oder die Gewissheit, sich selbst „etwas bewiesen zu haben“ sind meiner Meinung nach keine wirklichen Erfolge. Wenn du nur extrinsisch motiviert bist, quälst du dich 10 Wochen für einen kurzen Moment des Glücks. Deine Erinnerung an die Errungenschaft wird danach schnell verblassen; eine Medaille dich nur ganz kurz glücklich machen; deine Ausdauer ohne weiteres Training schnell auf deinen Ausgangspunkt absacken. Das Leben ist meiner Meinung nach zu kurz und zu wertvoll dafür.
Es gilt daher bei jedem großen Vorhaben immer auch die Opportunitätskosten zu betrachten – jene Dinge, die dich intrinsisch motivieren und die du stattdessen hättest machen können. Falls du also nicht bereits kurz vor dem Marathon stehst, kann dir die Entscheidung keinen Marathon zu laufen viel Zeit und Energie sparen. Zudem wirkt sich der Grad, in dem dich der Weg selbst erfüllt, auch stark auf dein Durchhaltevermögen und letztlich deinen Erfolg aus. Intrinsische Motivation siegt also doppelt! Das wurde mir leider zum Verhängnis.
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie es dann überhaupt dazu kommen kann, dass jemand in einer Disziplin so weit kommt wie ich, ohne sie wirklich zu mögen!? Und bis vor einigen Wochen habe ich mich das selbst gefragt…
Doch überleg mal: wie viele Leute bleiben zu lange in einer schlechten Beziehung; wie viele Studenten schrecken davor zurück ein nicht erfüllendes Studium abzubrechen; wie viele Menschen trauen sich nicht die Kündigung einzureichen? Es gibt eben fast immer auch einige unsichtbare Faktoren, die ein Vorhaben antreiben und es daher oberflächlich betrachtet irrational erscheinen lassen. Und meistens, wie in meinem Fall, sind diese Faktoren sogar für einen selbst unsichtbar.
Rückblickend lieferte mir beim Training auf meinen ersten Halbmarathon die Tatsache intrinsische Belohnung, dass ich zusammen mit guten Freunden trainierte; die soziale Komponente, nicht das Laufen selbst, ließ mich den Weg genießen! Bei meinem zweiten Halbmarathon trainierte ich alleine, jedoch war das Training zu der Zeit die einzige Gelegenheit für mich, Musik zu hören; und Musik gehört in meinem Leben mit zu den größten intrinsischen Motivatoren. Bei meinem Marathontraining jedoch fehlte mir plötzlich jegliche Komponente intrinsischer Motivation; ich trainierte alleine und Musik hörte ich auch zu vielen anderen Gelegenheiten.
Mein Experiment war also rein extrinsisch motiviert durch Dingen wie lebenslangen Stolz, von denen man denkt, dass sie mit einem geglückten Marathon einhergehen. Die vielleicht größte Gefahr für meinen Selbstversuch war daher nicht eine der eingangs erwähnten: Trägheit, Blindheit, fehlende Gesundheit oder Verrücktheit. Es war vielmehr Ignoranz; die Gefahr einen Marathon zu laufen, obwohl mich das Laufen eigentlich gar nicht erfüllt. Ignoranz; das Wort hat villeicht einen bösen Beigeschmack. Ignorante Personen haben einen sehr schlechten Ruf. Ignoranz kann jedoch auch ganz objektiv verwendet werden:
Mein Experiment hat mir persönlich gezeigt, dass das Laufen selbst mich nicht genügend intrinsisch motiviert. Im Prinzip ist das keine bahnbrechende Erkenntnis. Ich hätte das auch schon nach meinen Halbmarathons wissen können. Ich kannte den Spruch „der Weg ist das Ziel“. Doch einige Lektionen im Leben muss man eben mehrmals lernen. Ich war daher weder träge noch ungesund, sondern ignorant; geblendet von extrinsischen Anreizen, aber nicht blind!
Ok, vielleicht war ich auch ein kleines bisschen verrückt…
Uberstrategie - Mache jetzt deinen ersten Schritt
Mein Vorgehen mit der abgewandelten Galloway-Methode wird es dir ermöglichen relativ schonend, spaßig und in nur 10 Wochen marathonfit zu werden. 3 Trotz der verlorenen Zeit bei den intermittierenden Geheinheiten kann Run-Walk-Run dir darüber hinaus sogar Zeitvorteile bringen. Vergiss nicht: ein Marathon ist letztlich Kopfsache und mit genügend Training kann das (fast) jeder schaffen! Die Uberstrategie, die ich dir auf Basis meines Selbstversuches ans Herz legen kann, besteht aus 3 Schritten:
1. Basiere deine Entscheidung auf dem Warum.
Denk kurz darüber nach, warum du einen Marathon laufen willst. Frage dich im Speziellen: Würde ich auch laufen gehen wenn es keiner mitbekommen und niemanden beeindrucken würde? Wenn es keine Kalorien verbrennen und gesundheitlich neutral sein würde? So kannst du sicherstellen, dass du die Opportunitätskosten gering hältst und dir auch der Weg zum Ziel Spaß macht!
- Fall du die Frage mit einem „Ja“ beantworten kannst, kann ich dir meine zeiteffiziente Methode wärmstens empfehlen. Sie wird dir mit minimalen zeitlichen und koordinative Einschränkungen zum Marathon verhelfen. Fortfahren mit Schritt 2 zu darfst, junger Padawan!
- Sollte deine Antwort ein klares „Jain“ sein, dir jedoch die nötige Lauferfahrung fehlen, versuche dich stattdessen zunächst an einem Halbmarathon. Wende meine Strategie einfach stattdessen auf die abgewandelte Distanz an. Entscheide danach, ob du wirklich auch einen Marathon angehen willst.
- Falls du eher zu einem „Nein“ tendierst, solltest du genauer reflektieren. Die obige Frage macht nur Sinn nachdem du dich bereis einige Stunden am Laufen versucht hast (ca. 20 Stunden). Ansonsten bist du womöglich stark geblendet von den Anfängerschwierigkeiten die prinzipiell jeder in jedem Bereich hat. Solltest du danach allerdings immer noch deutlich zu „Nein“ tendieren, lass dir sagen: Es lohnt sich nicht! Du kannst die dafür erforderlichen Zeit und Energie anderswo besser – und erfüllender – investieren.
Ein subjektive Erfahrungsbericht wie dieser kann dir natürlich nur einen groben Einblick geben. Doch vielleicht lässt er dich bereits vorab eine bessere Entscheidung treffen.
2. Bereite dich schlau vor.
Hier die besten Ratschläge, die ich dir nach meinem Selbstversuch geben kann:
- Such dir einen 10-wöchigen Trainingsplan und teste, ob du dessen Grundanforderung wie z.B. „10km in 62 Minuten laufen“ annähernd erfüllst (Tipp: mein Plan ist aus diesem Amazon Bestseller). Alternativ kannst du dir das Geld auch sparen und dir den Plan aus meinem Experimentenlogbuch extrahieren.
- Als nächstes versuche dich zwei bis drei Mal an einem 10km-Lauf mit der Galloway-Methode (alle 2-3km eine Minute gehen). Sollte dir die Methode absolut nicht zusagen, kannst du es auch nach dem normalen Trainingsplan versuchen. Dann solltest du aber deutlich mehr Lauferfahrung mitbringen und die Grundanforderungen zu 100% zu erfüllen.
- Versuche dich auch an „extremen“ Crescendoläufen, bei denen du ruhig mit einer Pace von 10 Minuten pro Kilometer loslaufen kannst.
- Entscheide, ob du nach der Galloway-Methode trainieren willst und sichere dir danach als „Lock-In“-Strategie sofort das Marathonticket. Teile dein Vorhaben zudem sofort mit deiner Familie und deinen Freunden; z.B. indem du diesen Artikel mit den glorreichen Worten „Challenge Accepted“ auf Facebook teilst.
- Tariere grob aus, wie viele Gehpausen sinnvoll für dich sind.
- Trage alle Trainingseinheiten aus deinem Trainingsplan in deinen (digitalen) Kalender ein (am besten mit Erinnerungen).
- Verfolge eine möglichst realitätsnahe Anordnung der langen Dauerläufe (im Regelfall Sonntagmorgens) und setzte dir zum Ziel keinen davon auszulassen!
- Plane für die ersten paar Trainingswochen keine weiteren großen Aktionen oder Events auf den Tag der langen Dauerläufe. Es kann passieren, dass du danach zu nichts mehr imstande bist. Warum? Frische dein Wissen über Willenskraft und Selbstdisziplin auf.
- Setzt dir ein Lesezeichen auf diesen Artikel, falls du alles noch einmal nachlesen willst.
Es ist jedoch wichtig, sich nicht komplett von den Philosophien anderer leiten zu lassen. Finde stets deinen eigenen Weg, indem du Tailoring, Framing und Adaption deines Experimentes anwendest!
3. Starte deinen Selbstversuch.
Beginne dein Training jetzt.
Ein bisschen Ubersatire zum Schluss
Kürzlich musste ich schmunzeln als ich folgendes herausfand: Tim Ferriss, für viele der Vater des experimentellen Lebensstils gilt, spricht in Der 4-Stunden Körper aus dem Jahr 2014 von einem Ähnlichen Vorhaben wie ich. 50km will er mit einer der Galloway-Methode ähnlichen, intervall-basieren und angeblich „ultimativen“ Strategie nach nur zwölf Wochen Training absolvieren. Doch plötzlich endet das Kapitel in seinem Buch auf Seite 438 mit der Aussage:
Hier haben wir jetzt einen Cliffhanger. Dieses Kapitel wurde in letzter Minute eingefügt und … vor der Veröffentlichung [war] keine Zeit mehr für ein Update.
Danach verweist Ferriss auf eine Internetseite auf der die Ergebnisse nachträglich präsentieren wollte. Dabei gibt es nur ein Problem: auf der Seite steht seit 2014: Coming soon… „.Ist sein Experiment misslungen? Hat er sich verletzt und musste abbrechen? Oder waren die Ergebnisse nur unter aller Sau und er wollte sie nicht präsentieren? Wir wissen es nicht, jedoch zeigt sich einmal wieder deutlich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
[…] Dies ist das Logbuch zu meiner Marathon-Challenge mit der Galloway-Methode. […]